Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
völlig überfordert und fand lange keinen Schlaf.
Justin hatte auch in der Nacht von Freitag auf Samstag nicht viel geschlafen und plante, in der Mensa mindestens zwei Tassen Kaffee zu trinken. Fabian traf er am Eingang. Der Glarner hatte schon früh zu einer Lagebesprechung mit Mayerhofer und James gemusst. Er fasste dieses Gespräch mit: „Lage unverändert bedenklich“ zusammen. „Wir haben Stas einen anonymen Tipp an Pizunda geben lassen, wegen dem Militärlastwagen. Die sind gerade dabei, den Sprengstoff und die Munition abzutransportieren, und behaupten, beides gehöre zu ihrer Bewachung des Dorfs als Notfalldepot. Aber da dieses Depot offenbar entdeckt worden ist, würden sie den Vorrat anderswo verstecken. Das haben die Soldaten gegenüber den Busfahrern zumindest behauptet“, erklärte Fabian, während die beiden Sportler gemeinsam zum Frühstück hineingingen.
Florian war schon da. Sein Lächeln schien Fabian die Sorgen für einen Moment vergessen zu lassen. Richard nahm sich bei der Kasse noch zwei Zeitungen vom Stapel, bevor der junge Mitarbeiter an der Kasse seinen Ausweis scannte und mit einem
Thank you, your Royal Highness
quittierte. Bargeld floss nicht, für Olympioniken war das Essen gratis, abgesehen von Spirituosen. Sogar Fabian und Justin wurden jeweils mit einem etwas mechanisch klingenden
thank you, sir
an der Kasse bedient. Auf Zeitungen verzichtete Fabian allerdings. Der
Blitz
war verkehrt herum in den Zeitschriftenständer eingeordnet worden. Ebenso ihre britische Entsprechung,
The Sun
. Fabian vermutete, dass da wieder etwas Skandalöses über ihn und Florian drin stand und die Einheimischen eine Schwulenstory in den Schlagzeilen als viel zu eklig ansahen, um die Titelseiten offen zu zeigen. Er wolle es gar nicht wissen, da es Florian aufregen würde und ihn selbst auch.
Sie setzten sich zu seinem blonden Freund, der sie mit einem Lächeln begrüßte, und dessen Teamkameraden an den langen Tisch. Sich zu Patrik zu setzen nach dessen homophoben Ausbrüchen kam nicht in Frage. Nun huschte auch ein Strahlen über Richards Gesicht. Vanessa war eingetroffen. Sie begrüßte die Jungs und wollte sich einen Espresso holen, sofern man das schwarz gefärbte Wasser, was sie hier als Espresso verkauften, überhaupt so nennen könnte. Der Trainer Hans-Rüdiger Voss sowie Monti und Saubauer gesellten sich auch zu der Gruppe, die beiden Trainer und der Schweizer Teamleiter diskutierten aber untereinander ein Reglement. Nachdem der Dopingskandal aufgeklärt war, schien wenigstens bei ihnen wieder so was wie Wettkampfalltag stattzufinden. Vanessa wurde von Richard mit Wangenküsschen begrüßt. Küssen trauten sich Fabian und Florian nicht, aber immerhin unter dem Tisch die Waden aneinanderpressen musste schon sein, wie Justin aus dem Augenwinkel bemerkt hatte.
„Er hat es wieder gemacht!“, schrie Richard auf, als er die Boulevardzeitung
Blitz
auf die Vorderseite gedreht hatte, um die Schlagzeilen zu lesen. „Skandalöse Medaillenfeier bei den Windsors!“, konnte Justin gerade noch lesen und darunter ein Bild des kleiderlosen Prinzen Harry erkennen, bevor Richard die bunte Zeitung unter seinem Tablett versteckte.
„Keine Sorge, weder Vanessa noch ich haben gesehen, dass Harry nackt abgebildet war“, bemerkte Fabian spitz.
„Was? Zeig mal!“, verlangte Vanessa neugierig.
„Nein!“ Richard hielt sein Tablett zur Verteidigung fest, damit Vanessa die Zeitung nicht darunter hervorziehen konnte. Inzwischen wurde am ganzen Tisch gekichert. „Warum können diese Schmier … äh … Journalisten nicht einmal eine einzige vernünftige Schlagzeile bringen wie ‚Prinz gewinnt olympische Medaille‘? Aber nein, ich krieg nur ein Kästchen in der linken unteren Ecke, aber Kates Baby natürlich die ganze Seite zwei, weil es zum ersten Mal in seinem Leben gerülpst hat.“
„Ich finde Harry cool, er hat einen gemobbten schwulen Soldaten verteidigt“, meinte Florian im ernsten Tonfall, was das Gekicher verstummen ließ.
„Danke, aber ihr Schwulen geilt euch bitte nicht an diesen Fotos auf“, ärgerte sich Richard weiter. „Außerdem, wessen Freundin sieht schon Nacktfotos des Bruders, bevor man selbst miteinander … Das passiert einem nur, wenn man diesen Fluch namens
Prinz
auf sich trägt!“
„Richard, die Leute hören zu!“, mahnte ihn Vanessa, die nun davon abgelassen hatte, die Zeitung unter dem Tablett hervorziehen zu wollen, da offenbar die Fotos dem Prinzen wirklich peinlich
Weitere Kostenlose Bücher