Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Slalom persönlich: Aus Deutschland! Florian Häusle!“, wurde über die Lautsprecher angesagt.
Alles im Zielraum starrte auf die Plasmabildschirme: Florian Häusle stieß sich vom Starthaus ab. Er machte ein paar Schlittschuhschritte und dann sah es so aus, als ob er einfach zum Vergnügen den Hang herunter wedeln würde, so leicht schien der Slalomlauf bei dem Schwarzwälder.
„Kein Fehlerchen, einfach easy locker über Eisplatten und Schneehaufen“, frohlockte nun auch der Platzsprecher. „Es ist ein Anblick für die Götter, wie der blonde Schwarzwälder mit den langen Haaren zwischen den Stangen durchschlüpft.“
-0.60 wurde als erste Zwischenzeit angezeigt. Justin hätte eigentlich erwartet, dass Florian seinen Vorsprung ausbauen würde. Nun konnten sie ihn im Hang live sehen: Es war für Justin unvorstellbar, dass einer, der scheinbar von den Engeln den Hang heruntergetragen wurde, nicht siegen würde. Der strohblonde Deutsche kämpfte auf der Ziellinie um die letzten Tausendstel – und:
– 0.89, 1. Rang
, blinkte unter seinem Bild.
Florian war einfach eine Klasse für sich. Er riss die Arme hoch, bremste bei Justin und Fabian, zog die Ski aus, während der Russe als nur noch Vierter vom Podest heruntersteigen musste. Dann drückte der Schwarzwälder seine beiden Freunde. Er konnte sich so sehr über einen Sieg freuen, als wäre es sein erster. Jörg und Fabian hoben den Slalomjungen auf die Schultern und trugen ihn durch die Arena. Außer Koslow, der mit versteinerter Miene den Zielraum verließ, konnte sich niemand dieser kindlichen Freude des jungen blonden Siegers verschließen. Die Ausgelassenheit versöhnte offenbar sogar die Fans des österreichischen Teams, die anerkennend applaudierten und ja immerhin ein Platz auf dem „Stockerl“ für ihren Ski-Pesi feiern durften.
Nun wurden die ersten fünf zum erweiterten Siegerfoto gebeten – dieses Mal waren es genau genommen sechs, da Richard und Justin auf dem fünften Platz gleichauf waren. David Koslow und die beiden Fünften kauerten sich vor die ersten drei, also vor Florian, Fabian und Jörg. Das Mediengedrängel dort war für Justin unheimlich, wegen Prinz Richard hatten nun nicht nur Sportreporter Interesse an einem Foto.
Klassement Slalom – Kitzbühel, Österreich
1
Florian Häusle
GER
01:39.35
2
Fabian Luchsiger
SUI
01:40.24
3
Jörg Pesenbauer
AUT
01:40.26
4
David Koslow
RUS
01:40.32
5
Justin Bend
LIE
01:40.79
5
Richard Wales
GBR
01:40.79
7
Damien Vincent
SUI
01:40.94
8
Patrik Moser
SUI
01:40.96
9
Gustav Hauser
ITA
01:40.98
10
Dave Hall
USA
01:41.03
11
Hansi Vorderseher
GER
01:41.14
12
Nils Gjøsteen
NOR
01:41.17
13
Vasko Šoltes
SLO
01:41.25
14
Sam Kent
USA
01:41.29
15
Yuko Takamoto
JPN
01:41.48
16
Vazlav Nečas
TCH
01:41.72
17
Daniel Ruiz
ITA
01:41.74
18
Gregory Funtow
RUS
01:41.83
19
Conradin Caratsch
SUI
01:41.90
20
Göran Romson
SWE
01:42.17
„Konsequent keine Boulevardfragen beantworten – es geht hier nur ums Rennen!“, mahnte Richard. Selbstverständlich riefen die Paparazzi auch Fragen wie „Was sagt die Queen dazu?“ und Ähnliches, doch der Prinz hielt es eisern durch, einfach nur zu lächeln in einem Blitzlichtgewitter, wie es selbst das sonst an Promis und Paparazzi gewohnte Kitzbühel noch nie erlebt hatte. Von der Seite wurde inzwischen aus dem Publikum „Justin, Justin!“ gerufen. Die Mädchen vom Vortag kreischten begeistert, als er zu ihnen ging und brav ihre Autogrammbücher signierte. Koslow musste nun nur zwei Schritt neben Justin dem Fernsehsender Russia Today erklären, wie er zwei Wochen vor der Olympiade in Form sei – es war wohl das erste Mal, dass Russland ein eigenes Kamerateam zu dem Alpin-Weltcup geschickt hatte.
Nachdem Fabian sogar dem ORF ein paar kurze Fragen beantwortet und die Dopingkontrolle absolviert hatte, wollte Justin mit ihm zum Hotel gehen, aber auf dem Weg dorthin passte ihn sein Mini-Fanclub aus dem Ländle ab, um noch ein Schwätzchen zu halten. Etliche Schweizer wollten ebenfalls die neuen Stars im Weltcup fotografieren und Autogramme erhaschen. Als sie endlich im Hotel in Sicherheit waren, meinte Fabian nur: „Völlig krass alles!“ Das empfand Justin ganz ähnlich.
„So langsam berühren meine Füße wieder den Boden“, erklärte Fabian. „Ich hab gestern nur ein Weltcup-Rennen gewonnen, wie viele andere vor mir auch.“ Da hatte er recht, dachte Justin, und obwohl auch seine eigenen fünften Plätze sicher gut waren, gab es eine Menge wesentlich bessere Sportler
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