Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
hätten. Deshalb empfand der frisch ausgezeichnete Olympiasieger Koslows Verhalten als eine unangebrachte Machtdemonstration des Russen. Wenigstens war Stas nicht auch noch mit einer Freundin aufgekreuzt.
Das Medienzentrum gleich neben dem Olympiapark war ein riesiger Gebäudeblock mit gewellten Fassaden und einer Vorfahrt, für die sich auch ein Präsidentenpalast nicht hätte zu schämen brauchen. Viele Teams kehrten gerade von Außeneinsätzen zurück und auch die Snowboard-Damen trafen sie hier wieder. Deren Guide fragte nun Stas nach dem Studio von CNN. Die beiden beugten sich über den Tablet-Computer, um einen Gebäudeplan zu studieren. Die kurze Unterbrechung nutzte Frau Koslowa, um den beiden jungen Sportlern aus dem Westen zu ihrem Erfolg zu gratulieren. Die Eingangshalle wirkte auf Fabian so groß, als würde man hier zu Interkontinentalflügen einchecken. Ihr Weg führte eine Rolltreppe hinauf in das Obergeschoss und dort einen glasüberdachten Gang entlang – von der Breite einer Hauptstraße –, bis sie das SNI-Logo groß an einer Wand sahen.
In einem Vorraum bat man sie kurz zu warten und eine Assistentin meldete per Telefon die Ankunft der Athleten. Mehrere Monitore zeigten noch laufende Sportereignisse; eine große Zeitungsauslage dominierte die eine Wand des Vorraums. Florian deutete auf eine renommierte deutsche Zeitung:
Trotz Olympia, Duma droht homosexuellen Eltern mit Kinderentzug. Der Gesetzesentwurf war Anfang September 2013 von einem Abgeordneten aus Putins Regierungspartei ins Parlament eingebracht worden. Er sieht vor, Homosexuellen das Sorgerecht selbst für ihre leiblichen Kinder zu entziehen.
Auch bei auf einem Ticker laufender englischer Schlagzeilen rollte die gleiche Meldung gerade durch:
Russian lawmakers want to take children away from gay parents
und nach drei Sternen:
Openly gay lovers Luchsiger (SUI) and Haeusle (GER) win gold and bronze at Olympics in homophobic Russia.
Während Koslow mit seiner Frau turtelte, starrten die anderen drei der Gruppe wie hypnotisiert auf den Ticker. Das waren nicht Lokalnachrichten, sondern Weltschlagzeilen, die auch von homophoben Duma-Abgeordneten gelesen würden, fürchtete Fabian. Zudem, war ihre Beziehung schon so weit, dass sie sich offiziell ein Paar nennen durften?
„
Gay lovers
? Und bald schreiben Sie womöglich, ich sei von dir schwanger oder was“, grollte Florian prompt.
Fabian traute sich nur mit einem leisen „tut mir leid!“ zu antworten.
Florian drückte für einen kurzen Moment Fabians Hand, wohl zum Zeichen, dass diese Schlagzeile kein ernstes Problem für ihre sich entwickelnde Beziehung war.
Eine Regieassistentin räusperte sich hinter ihnen und führte sie nun zur Maske.
Dort standen zwei Schminkbänke mit je vier Plätzen; auf der einen Seite wurde gerade ein Moderator bereitgemacht, der entfernt an den gutaussehenden, offen schwulen Fernsehreporter aus den USA, Anderson Cooper, erinnerte. Er stellte sich mit sehr britischem Englisch als Jack Brown vor und erklärte, er werde die Sendung gemeinsam mit einem russischen Kollegen moderieren. Die Maskenbildnerin musste schnell arbeiten, nur für etwas Puder über das ganze Gesicht und noch ein wenig Nachkämmen blieb Zeit.
„Wie tief darf ich nach dem Privatleben fragen?“, erkundigte sich Brown.
„Es wissen ja eh längst alle, dass Florian und ich schwul sind“, meinte Fabian. David Koslow warf ihm einen scharfen Blick zu, doch der Moderator drängte: „Gut, danke. Zehn nach zehn gehen wir live auf Sendung; wir sind also knapp dran. Bringen Sie die jungen Gentlemen ins Studio 2.“ Die Regieassistentin ging voran, der Senderaum lag zum Glück nur zwei Türen weiter.
Das Studio wirkte viel enger, als es sich Fabian angesichts der riesigen Ausmaße des Pressezentrums vorgestellt hatte; die Kulisse mit den fünf Stühlen war in einer Ecke vorbereitet, alles andere erschien ihm als chaotisches Gewirr aus Kameras, Monitoren, Scheinwerfern und fingerdicken Kabeln. Sie wurden sofort von Regieassistentinnen mit Mikrofonen und zugehörigen Sendern ausgerüstet und zur Kameraprobe auf die Stühle gebeten.
„Wolltest du den tuntigen Lackaffen vorhin nur hochnehmen, Fabian, oder seid ihr beide wirklich warme Brüder?“, fragte Koslow auf Deutsch. Anscheinend hatte Koslow bisher tatsächlich noch nichts von Fabian und Florians sexueller Orientierung mitbekommen. Viele Sportler schotteten sich ja in den letzten Tagen vor einem Titelwettkampf von allem ab, was
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