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Der Silberbaron

Der Silberbaron

Titel: Der Silberbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Brendan
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Vor ihr erstreckte sich eine endlos scheinende Allee silbriger Bäume mit rauschendem Blätterdach, und wenn sie den Kopf zur Seite wandte, erblickte sie weitläufige Rasenflächen und am Horizont üppige Wälder, deren dichtes Laub schon die ersten herbstlich goldenen Flecken zeigte. Die Kutsche rumpelte über ein paar Planken, die über einen kristallklaren Fluss führten, und bog nach links ab. Da sah sie das Haus vor sich.
    Sie rutschte nun nach vorn. Hellgelber Sandstein glänzte im Licht der Sonne wie flüssiger Honig, und die Fenster glühten wie Feuer. Es war einfach in jeder Hinsicht herrlich: von beeindruckender Größe, vollkommen symmetrisch im strengen palladianischen Stil, inmitten eines gepflegten Parks gelegen, der sich anmutig in drei Richtungen ausdehnte. Irgendwie hatte sie gewusst, dass Silverdale so wunderbar sein würde – was für eine Ungerechtigkeit, was für eine Ironie! Dass ein derartig liederlicher Mensch in einer so großartigen Umgebung leben durfte!
    Die Kutsche kam schließlich vor einem imposanten Säuleneingang zum Stehen, worauf ein Lakai für Emma den Schlag öffnete und ihr beim Aussteigen half. Ein Butler kam ihr gemächlich die Steintreppe entgegen und verbeugte sich steif. “Simmons, zu Ihren Diensten, Miss Worthington”, stellte er sich vor. “Baron Du Quesne erwartet Sie. Wenn Sie mir bitte folgen möchten.”
    Emma raffte die Röcke und stieg hinter Simmons die Treppe hinauf. Als sie über die Schwelle und in die Eingangshalle traten, fragte sie freundlich: “Sind Viscount und Viscountess Courtenay bereits eingetroffen?”
    “Nein.”
    Abrupt blieb Emma stehen. Es war nur ein einziges Wort gewesen, und doch hatte sie die Stimme sofort erkannt. Momentan ihrer Sicht beraubt, da sich ihre Augen nach dem hellen Sonnenschein noch nicht an die Düsternis in der Halle gewöhnt hatten, blinzelte sie in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Am Rande nahm sie wahr, dass die mächtigen Eingangstüren hinter ihr geschlossen wurden und dass das Licht nur durch ein Buntglasfenster hoch oben in der Kuppeldecke fiel. Richard, Baron Du Quesne, schritt durch die goldenen Strahlen, so dass sein blondes Haupt kurz aufleuchtete, dann trat er wieder in den Schatten und auf sie zu.
    Emma knickste und hob stolz das Kinn. Wenn er dachte, er hätte sie mit seinem Angebot eingeschüchtert … oder mit seinem Kuss … nun, dann würde er feststellen müssen, dass er sich geirrt hatte. Sie hatte sich davon nicht irritieren lassen. Sie hatte kaum einen Gedanken darauf verschwendet.
    “Wie geht es Ihnen?”
    “Sehr gut, danke der Nachfrage, Mylord. Und Ihnen?”, erwiderte Emma höflich.
    “Interessiert es Sie denn heute, wie es mir geht, Emma?” Sein Gesichtsausdruck war unergründlich, sein Tonfall voll Ironie.
    Emma spürte, wie sie rot wurde. “Nein”, sagte sie unbußfertig und wandte den Blick ab, um ein paar altehrwürdige Möbelstücke zu betrachten.
    Sie spürte seine spöttische Erheiterung, spürte seinen unverwandten Blick, der ihr Gesicht nicht losließ. Und plötzlich wurde ihr klar, dass sie unmöglich länger hier bei ihm bleiben konnte, als unbedingt nötig war. “Ich möchte Ihnen für Ihre Einladung danken”, begann sie gespreizt, “muss Ihre Gastfreundschaft jedoch leider ausschlagen. Ich bin nur hier, um mit Victoria zu sprechen, danach will ich in meine Pension zurückkehren. Kommt sie bald?”
    “Nein.”
    Da hob Emma den Kopf und blickte in das dunkle, attraktive Gesicht. “Nein?”, fragte sie atemlos.
    “Nein”, wiederholte er, seine silbergrauen Augen so kühl wie seine Stimme.
    “Aber Sie schrieben doch, dass …” Sie verstummte, als ihr ein fürchterlicher Verdacht kam. “Sie haben gelogen?”, flüsterte sie, wobei sie unbewusst einen Schritt zurücktrat.
    “Ja.”
    “Warum?”, fragte sie, nicht in der Lage, einen leisen Unterton der Panik zu unterdrücken.
    “Jetzt bin ich an der Reihe”, erwiderte er.

6. KAPITEL
    Zitternd wich Emma zurück, warf sich herum und rannte auf die Tür zu. Wie von Sinnen rüttelte sie an den schweren Messinggriffen, und als sich die Tür nicht bewegte, zischte sie: "Machen Sie die Tür auf! Sofort!”, und schlug mit der geballten Faust auf das Eichenholz.
    Als sich von hinten Schritte näherten, wirbelte sie so heftig herum, dass ihr der Hut vom Kopf zu rutschen drohte. Unwillkürlich griff sie mit einer Hand danach, während sie mit der anderen nach dem kalten Türgriff tastete.
    “Na, Emma, wollen Sie

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