Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Silberbaron

Der Silberbaron

Titel: Der Silberbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Brendan
Vom Netzwerk:
wieder mal davonlaufen? Wohin denn diesmal?”, spottete Richard sanft.
    “Das geht Sie überhaupt nichts an!”, rief Emma schrill. Wohin sollte sie sich wenden? Und selbst wenn sie dies wüsste – wie um alles in der Welt sollte sie dorthin gelangen? Nach Bath waren es schätzungsweise fünf Meilen. Ich werde zu Mrs. Keene zurückkehren, und zwar zu Fuß, beschloss sie unerschrocken. Doch sie verlor das letzte bisschen Mut, als sie an die Szene dachte, die sie mit diesem Mann im Salon ihrer Wirtin erlebt hatte: Sie hatte ihm gedroht, ihn der unsittlichen Annäherung zu bezichtigen, und er hatte nur erklärt, dass dies wohl etwas vorschnell sei. Ihre Dummheit an jenem Abend ließ sie nicht mehr los. Warum nur hatte sie diese leeren Drohungen und Beleidigungen ausgestoßen? Warum hatte sie ihm das Gesicht zerkratzt? Ihm schamlos vorgelogen, sie erwarte ein Kind?
    “Ist Ihre Mutter hier? Oder irgendeine andere Dame Ihrer Verwandtschaft? Oder war das auch gelogen?”, klagte sie ihn mit zitternder Stimme an.
    “Emma, kommen Sie her.” Richards Stimme klang belegt, sämtlicher Spott war daraus gewichen. Seine silbergrauen Augen fixierten ihr stolzes, bleiches Gesicht und suchten ihren Blick, doch der war auf etwas hinter ihm gerichtet. Schnell drehte Richard sich um. Ross Trelawney kam die Treppe herunter, mit einer Münze spielend. Als er seinen Freund sah, steckte er die Münze ein und kam lächelnd herüber.
    Emmas goldbraune Augen weiteten sich, als sie die beiden Männer betrachtete: beide kraftvoll und groß, der eine dunkel, der andere silberblond. Sie schluckte; ihr Mund war so trocken, dass sie die Frage, ob Damen anwesend seien, nicht noch einmal herausbrachte. Aber sie kannte die Antwort ja ohnehin: Silverdale schien in einsame Stille gehüllt. Außer der Dienerschaft befanden sich nur diese beiden Männer in dem vornehmen Gebäude.
    Sie kannte Richard als berüchtigten Frauenhelden. Vielleicht waren er und Dashwood ja Spießgesellen, vielleicht suchten sie in London dieselben üblen Spelunken auf, feierten alkoholgeschwängerte Orgien, missbrauchten junge, schutzlose Frauen, um sie dann zu verlassen … sie hatte die Gerüchte gehört. Weil sie Victoria unbedingt sehen wollte, war sie nachlässig gewesen. Sie hatte einen Moment lang vergessen, mit was für einem herzlosen Lebemann sie es zu tun hatte.
    Dieser dunkelhaarige Fremde mit den frech lachenden Augen war wahrscheinlich ein ebenso übler Spitzbube … Ihre Befürchtungen wurden immer hysterischer, wuchsen zu einer wahren Flutwelle, die sie zu überrollen drohte. Sie bemerkte eine Hand, die sich nach ihr ausstreckte, zuckte davor zurück und schlug darauf ein.
    Dunkle Hände schlossen sich um ihre Arme und pressten sie an ihre Seite, so dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. “So hören Sie doch”, sagte Richard beruhigend, aber mit solch stählernem Unterton in der Stimme, dass sie seinem Befehl tatsächlich nachkam. “Das ist ein guter Freund von mir, der im Augenblick hier zu Gast ist … wie Sie auch.” Er blickte zu Ross. “Ross Trelawney. Ross, darf ich dir Emma Worthington vorstellen. Emma ist mit den Courtenays befreundet. Sie kommt gerade aus London und wird uns eine Weile mit ihrem Besuch beehren.”
    Ross entriss Richard Emmas rechte Hand und führte sie galant an die Lippen. “Ich bin entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Worthington. Sicher werden wir die nächsten Tage viel Zeit miteinander verbringen – wenn es gestattet ist.” Er warf seinem Freund einen schlauen Blick zu und schüttelte verzweifelt den Kopf. “Nicht du auch noch, Richard …” Er wandte sich ab, um Hut und Handschuhe zu holen. “Ich fahre auf ein Stündchen nach Bath.”
    Emma wand sich in Richards Griff. “Ich möchte nach Bath zurückkehren. Dürfte ich um einen Platz in Ihrer Kutsche bitten, Sir?”
    “Das dürfen Sie nicht!”, stieß Richard leise hervor.
    Ross zögerte und sagte liebenswürdig: "Richard, du kannst die Dame doch nicht zwingen, hier zu bleiben.”
    “Das beabsichtige ich auch nicht”, fuhr Richard eisig auf.
    Emma spürte, wie sich die Atmosphäre auflud. Sie konnte mit dem Fremden mitfahren … oder hier bei Richard bleiben, der sie belogen und betrogen hatte. Aber sie hatte ihn ebenfalls belogen und betrogen …
    Richard sah ihr in die Augen, warnte sie, bedrohte sie. Sie hatte die Wahl, doch sie wusste, dass sie irgendwann dafür büßen musste, wenn sie ihn jetzt zurückwies. Verstört und gleichzeitig freudig

Weitere Kostenlose Bücher