Der Silberbaron
war. Sie verließ Ross und Amelia, die unschuldig miteinander flirteten, und ging in den Vorraum, wo Erfrischungen serviert wurden. Sie entdeckte Diana und neben ihr Miriam, die sich heftig Luft zufächelte. Ganz in der Nähe standen die Petershams und unterhielten sich mit ihnen. Seufzend setzte Emma ein Lächeln auf und trat zu ihnen, wurde jedoch bis auf eine abwesende Begrüßung seitens der Du-Quesne-Damen ignoriert. Bald entdeckte sie den Grund: Eine saftige Skandalgeschichte war in Umlauf.
“Nein!”, hörte sie Miriam ausrufen. “Das kann doch nicht wahr sein!”
Susan Petersham beugte sich vor. “Ich habe es direkt von Mrs. Jones, die soeben aus London eintraf. Dashwood ist so zornig, dass die Mutter vielleicht doch noch im Schuldgefängnis landet. Die Tochter auch, wenn die Ermittler sie aufstöbern. Dashwood will Blut sehen!”
“Mir tut nur die Mutter des Mädchens leid … Wie schrecklich! Erst verliert sie ihre Tochter und dann den Ehemann!”
Sobald der Name Dashwood erwähnt worden war, stand Emma wie versteinert. Inzwischen hörte sie kaum noch etwas außer dem Rauschen in ihren Ohren. Sie tastete nach der Wand hinter sich, weil sie weiche Knie bekam.
“Jemand muss die Familie doch kennen”, bohrte Miriam.
“Dashwood ist so erbost, weil man ihn zum Narren machte, dass er alles für sich behält. Der Vater ist geflohen, und keiner weiß, was er tun wird, um sich dem Schuldgefängnis oder einem Duell im Morgengrauen zu entziehen. Die Familie wird diesen Skandal niemals verwinden! Es handelt sich wohl um durchaus respektable Leute, wenn auch nicht aus den ersten Kreisen. Eine Schande, wie das Mädchen seine Eltern verließ! Wo doch schon tausende von Pfund den Besitzer gewechselt hatten!”
“Mir tut das arme Ding ein bisschen leid”, flüsterte Miriam kopfschüttelnd. “Ich hörte so schreckliche Gerüchte über Dashwood, dass der Teufel daneben wie ein Waisenknabe wirkt.”
Susan Petersham wackelte zustimmend mit dem Kopf. “Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken, wenn sie Dashwood schließlich entgegentritt …”
Wie eine Schlafwandlerin wandte Emma sich von den Frauen ab und wankte ziellos durch das Gewimmel, bis sie schließlich irgendeine Treppe hinabstieg, um Zuflucht in der Dunkelheit draußen zu finden.
Unter Richards begehrlichem Blick drängte sich Yvette Halt suchend an die Wand. “Da hatten wir also einen kleinen Streit, und ich drohe, sie wegzuschicken. Aber die Vorstellung, mein Bruder könnte berühren, was mir gehört …”
Yvette bewegte sich auf ihn zu, packte ihn am Arm, drängte sich schamlos gegen ihn. “Er wird nie berühren, was dir gehört, Richard”, erklärte sie glühend. “Gegen dich ist er das reinste Kind. Drei Briefe musste ich ihm schicken, ehe er darauf reagierte. Ich liebe nur dich. Du wirst es nicht bereuen, dass du mich behalten hast,
chéri.
Ich werde dir später beweisen, wie sehr es sich für dich lohnt – auf welche Art du wünschst.”
Richard schob sie gegen die Wand, stützte sich zu beiden Seiten ab und senkte den Kopf. Sofort schmiegte sie sich an ihn, zog seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn mit wildem Triumph. Darauf zog Richard ihren Umhang auseinander und enthüllte die von dem dünnen Musselinkleid nur spärlich bedeckten Brüste. Wieder senkte er das Gesicht, und sie reckte sich ihm mit einem freudigen Seufzer entgegen.
“Na, willst du sie immer noch?”, fragte Richard seinen Bruder, sich lässig von der Wand abstoßend.
Stephens Gesicht war weiß vor Wut. “Du Dreckskerl! Du hast sie dazu gebracht, das alles zu sagen. Sie hätte sich mit mir zufrieden gegeben.”
“Und das ist es, was du willst?”, fragte Richard verächtlich. “Eine Hure, die sich mit dir zufrieden gibt. Verdammt, du bist mein Bruder! Sieh sie dir doch an! Ich könnte sie jederzeit zurückbekommen.” Angeekelt wandte er sich von Stephen ab, ignorierte Yvettes zorniges Gesicht. “Willst du sie mit mir teilen, wann immer mich die Lust überkommt?”
Einen Augenblick lang starrte Stephen wie versteinert zu Boden, dann stürzte er sich mit erhobenen Fäusten auf seinen Bruder. Richard wehrte ihn mühelos ab. “Wenn du sie wirklich willst, so nimm sie. Wegen einer Hure habe ich mich noch nie geschlagen, und der Teufel soll mich holen, wenn ich jetzt damit anfinge. Morgen kehrt sie nach Frankreich zurück. Wenn dir so viel an ihr liegt, musst du sie auf deine Kosten wieder herschaffen.” Mit diesen höhnischen Worten schritt er
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