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Der Silberbaron

Der Silberbaron

Titel: Der Silberbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Brendan
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ersten Mal. Damals kannte ich ihn natürlich noch nicht. Ich wartete auf die Postkutsche und sah ihn und seinen Onkel.”
    “Ja, der kleine Jake betet Richard geradezu an. Er wäre ein guter Vater. Ich werde meinen Jakie vermissen. Er ist ein braver Junge …”
    Mit einem besorgten Blick auf Amelias tränennasse Augen versuchte Emma erneut, sie zur Umkehr zu bewegen. “Sehen Sie, Sie vermissen Ihre Kinder ja jetzt schon. Ich finde, Sie sollten nach Hause zurückkehren …”
    “Das halte ich für einen ausgezeichneten Rat, meine Liebste”, ertönte eine heisere Stimme hinter ihnen.
    Die Frauen sahen einander verblüfft an, bevor sie eilig herumfuhren.
    Stephen stand direkt hinter ihnen, Richard überreichte dem Wirt gerade etwas Geld, damit sie den Schankraum für sich hatten, und Ross ließ sich auf einem der wackligen Stühle am Tresen nieder und goss sich lässig etwas zu trinken ein.
    “Ich glaube, Emma, es ist an der Zeit, dass wir unsere Reise fortsetzen”, sagte Amelia eisig. Sie stand auf und tat zwei stolze Schritte in Richtung Tür, ehe Stephen ihr den Weg versperrte.
    “Du bist meine Ehefrau und gehst nirgendwohin, außer zurück nach Hause”, grollte er.
    Ross verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. Richard lehnte sich an den Tresen und schenkte sich ebenfalls ein, wobei er Emma aus den Augenwinkeln beobachtete.
    Emma starrte entmutigt aus dem Fenster. Wieso war schon wieder alles danebengegangen? Wenn sie nur so eigensüchtig gewesen wäre, ohne Amelia aufzubrechen, dann wäre sie jetzt schon auf halbem Weg nach London. Jetzt käme sie nur nach London, wenn eine Postkutsche anhielt, in der noch ein Platz frei wäre.
    “Erwartest du, dass ich dir das glaube?”, drangen zornig hervorgestoßene Worte in Emmas Bewusstsein.
    Stephens schmeichelnde Antwort war ebenfalls nicht zu überhören: “Ross wird es dir bestätigen. Ich schwöre dir, ich war mit ihm unterwegs … Ich
liebe
dich, Amelia …”
    Da Emma ihre Anwesenheit als unerträglich störend empfand, stand sie abrupt auf, um den Raum zu verlassen. Mit hoch erhobenem Kopf schritt sie an den beiden Männern am Tresen vorüber. Ross schenkte ihr ein schiefes Grinsen, Richard sah so spöttisch und triumphierend drein, dass sie beinahe stehen geblieben wäre, um ihm das Lächeln vom Gesicht zu wischen.
    Sie trat in den warmen Herbstsonnenschein hinaus, der ihre honigbraunen Haare zum Leuchten brachte. Sie eilte auf die Landstraße und wünschte sich sofort eine Kutsche herbei. Es nützte nichts, alles blieb still und friedlich an diesem schönen Septembermorgen. Resigniert drehte sie sich um und sah, wie ein Stallbursche einen herrlichen goldbraunen Hengst wegführte. Gleich darauf trat der Besitzer des Tieres aus dem Schankraum und schlenderte auf sie zu.
    Kurz vor ihr hielt er inne und starrte die staubige Straße entlang. “Wonach halten Sie Ausschau?”, fragte er.
    “Nach der Postkutsche”, erklärte sie steif und blickte über die Stoppelfelder.
    “Ach”, gab er trocken zurück. “Immer noch unterwegs nach Derbyshire? Geht die Strecke denn neuerdings über London?”
    Emma lief rot an. Diese kleine Finte hatte sie vergessen.
    Er wusste genau, was in ihr vorging. “Ich kenne Sie inzwischen recht gut, Emma. Wenn Sie mich nächstes Mal übertölpeln wollen, sollten Sie es mal mit der Wahrheit versuchen. Gewiss falle ich vor Überraschung tot um.”
    “Danke für den Hinweis. Die Verlockung ist zu groß, als dass ich sie ignorieren könnte.”
    Er lachte und wandte sich ihr ganz zu, und als sie ihn aus der Nähe zu sehen bekam, erkannte sie alle Anzeichen einer durchzechten Nacht. “Sie sind ja betrunken!”, fuhr sie ihn an.
    “Jetzt nicht mehr. Jetzt habe ich einen Kater”, erklärte Richard gelassen. Als spürte er ihr Misstrauen, fügte er hinzu: “Ich war die ganze Nacht zu Hause und habe mich allein betrunken.”
    “Es ist mir wirklich vollkommen gleichgültig, wo Sie waren und wer bei Ihnen war”, wehrte sie mit einem schrillen Lachen ab.
    “Nun, wenn ich nach meiner neuen Erkenntnis gehe, nach der Sie immer das Gegenteil von dem sagen, was Sie meinen, ist es Ihnen also sehr wichtig.”
    “Das ist keine Erkenntnis”, versetzte Emma erbost, “sondern die pure Einbildung. Und daran ist nichts Neues. Eingebildet waren Sie gewiss schon Ihr Leben lang.” Abrupt wandte sie sich von ihm ab und starrte trotzig auf die Straße.
    “Jetzt haben wir aber genug Höflichkeiten ausgetauscht”, meinte er durchaus zufrieden.

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