Der Silberbaron
hinweggeströmt war, bis sie erschöpft zur Ruhe gekommen war.
Nun richtete sie sich auf und suchte apathisch ihre Kleider zusammen, ihre Blöße unterdessen mit seinem Reitmantel bedeckend. Da tauchten am Rand ihres Gesichtsfeldes dunkle Stiefel auf, worauf sie ihre Kleider hastig an sich drückte, als befürchtete sie, er würde sie ihr entreißen.
Richard hockte sich vor sie hin. Sofort ließ Emma sich auf die Fersen sinken. Er streckte die Hand nach ihrem Gesicht aus, doch sie entzog sich ihm eilig. Da fasste er sie bei den Schultern, um sie an sich zu ziehen. “Sieh mich an, Emma”, forderte er sie heiser auf. Als sie weiterhin über seine Schulter starrte, rief er streng: “Zum Teufel, schau mich an.”
Sie richtete ihre glänzenden Augen auf ihn.
“Es tut mir leid”, stieß er hervor, “ich wollte nicht, dass es so passiert …”
“Doch”, entgegnete sie fast teilnahmslos, “das weiß ich jetzt. Das wolltest du von Anfang an. Schon vor drei Jahren wolltest du mich demütigen, weil ich dich beleidigt habe.”
Er ließ sie los und massierte sich die Nasenwurzel. “Das stimmt nicht, Emma, wirklich nicht.”
“Geh weg, damit ich mich anziehen kann!”
Er lachte hohl. “Warum? Hast du etwas entdeckt, was ich noch nicht gesehen habe?” Abrupt stand er auf und kehrte ihr den Rücken zu.
“Geh doch endlich weg!” Emma wollte sich säubern. Sie berührte ihren Schenkel, und als sie die Hand hob, entdeckte sie Blut. “Was hast du mir angetan?”, flüsterte sie entsetzt.
“Das weißt du ganz genau, Emma. Ich habe deine Jungfernschaft geraubt. Wenn du mir ehrlich gesagt hättest, dass es noch etwas zu rauben gibt, hätte ich … hätte ich nicht …” Er bedeckte die Augen mit der Hand. “Vielleicht ist das nicht wahr … ich weiß es nicht. Aber ich schwöre dir, dass es anders gewesen wäre, ich wäre anders gewesen.”
Er trat zum Feuer, und Emma säuberte sich hastig und zog sich dann an. Schließlich legte sie die Pelerine an und zupfte sie über ihrem zerrissenen, schmutzigen Kleid zurecht. Er pfiff den Pferden, und kurz darauf kamen sie angetrabt.
Sie schöpfte eilig Atem. “Ich … ich wäre dir dankbar, wenn du mich in der nächsten Poststation absetzen könntest, da es bereits dunkel ist …”
Seine silbergrauen Augen blitzten, als er sie betrachtete. “Hast du geglaubt, ich würde dich hier sitzen lassen?”, fragte er mit sanfter Stimme, bei der ihr der Mund trocken wurde. “Welches Schurkenstück erwartest du als Nächstes von mir? Dass ich das Bild des treulosen Wüstlings bis ins Letzte ausfülle und dich in die Gosse stoße, jetzt, wo ich von dir bekommen habe, wonach es mich gelüstet hat? Glaubst du das, Emma? Glaubst du das wirklich?”
Als sie darauf schwieg, lief Richard zornig zum Feuer und trat es aus. Geisterhafte Dunkelheit umhüllte sie, worauf ihr die Tränen mit Macht in die Augen stiegen und sie zu ersticken drohten. Sie presste die Hand auf den Mund, um einen Schluchzer zu unterdrücken. All ihr Zorn, ihre Unabhängigkeit, ihr Einfallsreichtum schienen sie verlassen zu haben, sie kam sich zutiefst einsam vor, zutiefst verstört.
Sie betete um genügend Mut, um ihm ein letztes Mal zu trotzen, ihm zu sagen, er solle doch zum Teufel gehen, doch es war hoffnungslos. Es war schwer genug, die Tränen zu unterdrücken, und darauf verwandte sie ihre ganze Energie.
Unsicher hob er die Hand zu ihrem nassen Gesicht, strich vorsichtig über ihre kalten, zitternden Wangen. Abrupt zog er sie an sich, wiegte sie tröstend in den Armen. “Weine nicht, Emma”, flüsterte er in ihr Haar, “beim nächsten Mal wird es schöner sein, das verspreche ich dir. Ich werde dich mit aller Zärtlichkeit lieben … Bitte wein doch nicht …”
Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wenn er gesagt hätte, dass es ihm leid tue, dass er die Kontrolle über sich verloren habe, hätte sie es vielleicht akzeptiert. Aber nicht dies … alles, bloß das nicht, denn es war genau das, wonach sie sich sehnte.
Sie machte sich aus seinen Armen los. “Du Bastard. Wage es nicht, mich jemals wieder zu berühren oder mir mit deinen herablassenden Lügen zu kommen …” Der Rest ihrer Rede ging unter, als er sie um die Taille fasste und auf Shahs Rücken setzte. Richard schwang sich hinter ihr aufs Pferd, stieß dem Tier die Hacken in die Flanken, und dann ritten sie wortlos durchs Gehölz zur Landstraße nach London.
Sie näherten sich ihrem Zuhause. Emma blickte auf die Tore des Holland Park,
Weitere Kostenlose Bücher