Der Silberbaron
nie. Seit drei Jahren könnte sie mit einem Mann verheiratet sein, den sie wirklich respektierte. Jetzt, wo es zu spät war, erkannte sie, dass es egal war, wie viele Kurtisanen er sich gehalten hatte, an wie vielen Raufereien er beteiligt war. Sie kannte ihn nun … wusste alles, was sie zu wissen brauchte. Er war der beste Mann, den sie kannte. Und selbst wenn er es nicht gewesen wäre, wäre es gleichgültig, weil sie ihn liebte. Und doch hatte sie in ihrem ganzen Leben noch niemanden so oft und so schamlos belogen und gekränkt wie diesen Mann.
Voll bitterer Reue drehte sie sich um und mischte sich heiser ein: “Lord Du Quesne möchte jetzt sicher heimgehen, Mama. Es war eine lange Reise. Ich kann dir ja erzählen, wie wir uns in Bath getroffen haben … Nochmals vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft und dass Sie mich nach Hause gebracht haben. Ihnen ist sicher bekannt, dass dringende Angelegenheiten … also muss ich Ihnen nun Lebewohl sagen”, fügte Emma leise hinzu.
“Du musst Lord Du Quesne zur Tür bringen, Emma, wo er dich netterweise den ganzen weiten Weg begleitet hat.” Margaret nickte ihrer Tochter bedeutsam zu. Auf ihren Wangen zeigten sich rote Flecken.
Als sie in der kühlen Eingangshalle standen, zermarterte sich Emma den Kopf, um zum Abschied ein paar verbindliche Worte zu finden. “Sicher werden Sie David und Victoria bald besuchen. Richten Sie ihnen herzliche Grüße aus …”
Darauf erwiderte er gar nichts, und Emma wollte sich mit einem steifen Lächeln zurückziehen. Doch da durchbrach er die Stille. “Ich meine, was ich in der Kutsche sagte, Emma”, stieß er hervor. “Du wirst Dashwood nicht heiraten. Wende dich nicht an ihn und widersetze dich mir nicht … du weißt, wie ich darauf reagiere. Ich kümmere mich schon um Jarrett Dashwood. Wir sind in Jamaika zusammengetroffen und kennen einander recht gut.”
Sie wollte unbedingt, dass jemand, dem sie vertraute, ihr sagte, dass die schlimmen Gerüchte über Jarrett Dashwood jeder Grundlage entbehrten. Sich mit der Zunge über die Lippen fahrend, fragte sie tapfer: “Ist er wirklich so schlimm, wie alle sagen? Ein grausamer und sittenloser Mann, der seine Plantagenarbeiter misshandelt und … und seine Frauen auch? Ich habe mich schon gefragt, ob Sie und er miteinander zu tun haben.”
“In unserer Eigenschaft als perverse Bastarde?”
Emma zuckte errötend zusammen, als er ihr diese spezielle Beleidigung in Erinnerung rief. “Nein, das habe ich nicht gemeint. Ich weiß, dass Sie ganz anders sind …”
Richard lachte freudlos. “Ich hoffe, dass das eher für mich als für ihn spricht. Aber irgendwie bezweifle ich das.”
Bevor Emma ihn diesbezüglich beruhigen konnte, hatte er sich zur Tür gewandt. Über die Schulter rief er ihr noch zu: “Keine Angst … ich kümmere mich um die Angelegenheit.”
Margaret zupfte den Schal um ihren dürren Hals zurecht und sank aufs Sofa zurück. “Lord Du Quesne hat keine Ahnung, dass wir in einen Skandal verwickelt sind. Er hat seine Karte bei uns abgegeben und kommt uns am Mittwoch besuchen. Sobald einmal bekannt wird, dass wir mit Lord Du Quesne verkehren, wird die Gesellschaft uns mit Aufmerksamkeit überhäufen.”
Emma seufzte. “Papas Verschwinden hat in London bestimmt einiges böses Getuschel hervorgerufen.”
“O ja, gewiss, aber niemand weiß etwas Genaues”, erklärte Margaret süffisant. “Seine Kumpane haben eine Weile wohl geglaubt, er sei zu betrunken, um auszugehen. Nur sein Anwalt weiß die Wahrheit, und zum Glück ist er ein treuer Bursche. Jedenfalls hat Lord Du Quesne keine Ahnung.”
Emma schloss entnervt die Augen. Entschlossen sagte sie: “Er weiß Bescheid, Mama, ich habe es ihm erzählt.”
Ein schriller Schrei zerriss die Luft, und Margaret sprang auf. “Was hast du? Ach … ach herrje, jetzt reicht es mir aber! Dashwood und ich haben uns tunlichst bemüht, den Skandal einzudämmen, und dann musst du hergehen und es aller Welt erzählen!”
“Mama, du verstehst nicht. Selbst in Bath gehen bereits Gerüchte um. Lord Du Quesne hatte es erraten, bevor ich es bestätigte. Aber er ist ein Ehrenmann und wird unsere Lage nicht verschlimmern.”
Das beruhigte Margaret ein bisschen, und sie warf ihrer Tochter einen schlauen Blick zu. “Ich erinnere mich, dass du für Lord Du Quesne früher kein gutes Wort übrig hattest. Du warst immer so missmutig zu ihm, dass es mich sehr überraschte, wie viel Aufmerksamkeit er dir zollte …”
“Das alles ist
Weitere Kostenlose Bücher