Der Silberbaron
“Emma sagt, sie hätte Ihnen von unseren großen Sorgen erzählt.”
Richard trat ans Sofa und blickte auf die dünne kleine Frau hinunter, die sich gegen die Kälte fest in eine ganze Reihe von Schals und Decken gehüllt hatte. “Ja, sie hat es mir erzählt, und es fällt mir schwer, zu glauben, dass es tatsächlich Eltern gibt, die ihre Tochter dazu zwingen wollen, einen derart widerwärtigen Mann zu heiraten, dass die Tochter sich zur Flucht genötigt sieht.”
Margaret lief dunkelrot an. “Wir wollten doch nur ihr Bestes”, stotterte sie. “Mr. Dashwood hat uns allen eine gesicherte Zukunft versprochen, frei von Schulden. Das ist fehlgeschlagen, unser eigen Fleisch und Blut hat uns in einen schrecklichen Skandal verwickelt, und dabei wollten wir doch nur, dass unser liebes Mädchen versorgt ist.”
Richard konnte kaum mehr an sich halten. Er verbeugte sich kurz, wünschte Emma gute Besserung und war aus der Tür, bevor Margaret ohnmächtig in die Kissen sank.
“Sie haben Besuch, Mylord”, informierte Thomas Webb seinen Herrn, als Richard seine Handschuhe und seinen Rohrstock auf dem Tischchen in der Eingangshalle seines vornehmen Stadthauses deponierte.
Richard schien ihn nicht gehört zu haben. Er schäumte immer noch vor Wut darüber, dass Emma ihn nicht hatte sehen wollen. Sicher ging es ihr gut; bisher hatte sie sich von Kopfschmerzen nicht inkommodieren lassen. Schließlich war dies die Frau, die tagelang ohne vernünftige Mahlzeiten auskam, die wie eine Raubkatze kämpfen konnte, die den Mut besaß, auf ein Pferd zu steigen, das sie nicht reiten konnte; die Frau, die ihn beschimpfte und mit den Fäusten traktierte, selbst wenn sie vor seiner Vergeltung zitterte. Von Kopfschmerzen hätte sie sich nie abhalten lassen, in den Salon zu kommen. Sie hatte ihn nicht sehen wollen. Sie bestrafte ihn dafür, dass er sie verführt hatte. Und das Schlimmste war, er wusste, dass er es verdiente. Die Stimme des Butlers drang schließlich in diese düsteren Gedanken.
“Sie haben Besuch, Mylord. Ich habe ihn in Ihr Arbeitszimmer geführt. Er wollte seinen Namen nicht nennen, sagte aber, dass Sie ihn erwarten.”
Richard schritt den breiten, hell erleuchteten Flur entlang, und plötzlich fiel ihm auf, wie dunkel und ungemütlich es in Rosemary House gewesen war. Er fluchte. Ihm war entgangen, dass die Worthingtons vermutlich keinen Kredit mehr bei den Kaufleuten hatten. Nun musste er noch mal zu dieser verfluchten Frau, um dafür zu sorgen, dass sie weder verhungerten noch erfroren.
Missmutig riss er die Tür zum Arbeitszimmer auf, darauf hoffend, dass Dashwood auf ihn wartete, denn diese Auseinandersetzung hätte er jetzt wirklich genossen.
Er hielt inne, als der stämmige, kahl werdende Mann sich vom Feuer abwendete, an dem er sich aufgewärmt hatte. In den drei Jahren, seit er ihn zum letzten Mal gesehen hatte, hatte er sich nicht verändert. Er sah immer noch aus wie ein Wiesel mit glasigen Augen.
Richard starrte Frederick Worthington erbost an. Er ließ sich in einen Sessel fallen, legte die Füße auf den Tisch und wandte sich ihm zu.
“Setzen Sie sich.”
Frederick trottete ein paar Schritte näher. “Wie ich höre, wollen Sie mich wegen eines Geschäfts sprechen.” Die kaum bezähmte Wut seines unerwarteten Wohltäters schüchterte ihn nicht wenig ein.
“So setzen Sie sich doch”, knurrte Richard so wild, dass Frederick zu einem Sessel rannte.
“Ich komme gerade von Ihrer Frau und Ihrer Tochter … also, ich sah nur Ihre Frau. Ihre Tochter behauptet, sie fühle sich nicht wohl, aber ich glaube, sie lügt und will mich bloß nicht sehen.”
Frederick starrte ihn besorgt an; er fragte sich, ob er vielleicht übergeschnappt war und all das Gerede über tausende von Pfund nur ein Auswuchs seines Wahns. Nun, etwas anderes konnte es kaum sein. Der Mann schuldete ihm nichts, und das wussten sie alle beide. Doch soweit er Lord Du Quesne kannte, war er keineswegs verrückt. Also musste es um etwas anderes gehen. Und jetzt, wo er seine Tochter erwähnte, fiel ihm wieder ein, dass Margaret einmal behauptet hatte, der Kerl interessiere sich für Emma.
Richard nahm die Füße vom Tisch und richtete sich auf. “Es gibt nur einen Grund, weshalb ich in Erwägung ziehe, Ihre Schulden zu begleichen und Ihre elende Haut vor dem Schuldgefängnis zu retten. Aus demselben Grund werde ich davon absehen, Sie umzubringen und verrotten zu lassen, auch wenn Sie Ihre Tochter sträflich vernachlässigt haben, und
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