Der Silberbaron
Sie und Ihre liebreizende Gattin stattdessen bis ans Ende Ihrer Tage versorgen. Kurzum, ich tue das nur für Emma, und Sie sollten ihr dafür tagtäglich auf Knien danken, sie wie ein liebevoller Papa behandeln und nie wissen lassen, dass diese Unterhaltung stattgefunden hat.” Er durchbohrte den Mann mit Blicken. “Ist das klar?”, fragte er leise.
Frederick blickte unsicher auf und fragte dann lauernd: “Sie machen keine Scherze? Sie wollen wirklich meine Schulden bezahlen?”
Als Richard sarkastisch nickte, lachte Frederick auf. “Das ist ja verteufelt seltsam”, kicherte er. “Wer hätte das gedacht? Meine kleine Emma hat auf einmal gleich zwei Verehrer! Wirklich erstaunlich!”
“Noch erstaunlicher finde ich”, entgegnete Richard verächtlich, “dass Eltern wie Sie ein so edles Geschöpf zur Tochter haben. Ach, und noch etwas: Dashwood zählt nicht.” Dann sagte er etwas freundlicher: “Kommen Sie, ich lasse die Kutsche vorfahren, dann können wir die Familie zusammenführen. Vielleicht will Ihre Tochter mich ja diesmal sehen.”
Selbstsicher schritt Emma voran, hielt sich jedoch in der Nähe der elegant gekleideten Menge. Musik tönte durch den frischen Herbstabend, und die Menschen strebten auf die fröhlich beleuchteten Logen und das Orchesterpodium im Zentrum der Vauxhall Gardens zu. Die Arkaden, Grotten, künstlichen Wasserfälle und Pavillons dieser Lustgärten zogen Besucher aller Schichten an. Heute Abend fand ein spezielles Konzert anlässlich Mozarts dreißigstem Todestag statt.
Junge Damen, die lachend mit ihren Eltern oder ihren Verehrern über die Alleen promenierten, führten Emma nur noch deutlicher vor Augen, wie schrecklich unüberlegt ihre einsame Exkursion war.
Jarrett Dashwood hatte sie angewiesen, ihr Stelldichein geheim zu halten und allein zu kommen. Sie war nicht sicher, ob es ihr behagte, dass das Treffen an einem so öffentlichen Platz stattfinden sollte. Einerseits beruhigte es sie, so viele Leute in der Nähe zu wissen, andererseits war ihr auch klar, wie unschicklich es für sie war, ganz ohne Begleitung hier zu erscheinen, und sie hatte große Angst, dass sie irgendein Bekannter entdecken könnte.
Aus dem kurz angebundenen Brief hatte sie geschlossen, dass er überaus zornig auf sie war, aber auch sehr erpicht darauf, sie wiederzusehen – genau die Reaktion, die sie erwartet hatte.
Mit gesenktem Kopf und ganz ihren düsteren Gedanken nachhängend, eilte sie durch die Allee. Sie bemerkte den Dandy erst, als er sie am Arm packte und ihr lüsterne Bemerkungen, umgeben von Alkoholschwaden, entgegenspie. Automatisch machte Emma sich aus seinem Griff frei, wobei sie dann auch seine Kameraden bemerkte, die ob des kecken Übergriffs feixten.
Sie hob die zitternde Hand, um die Kapuze zurechtzurücken, die im Eifer des Gefechts hinabgerutscht war. Rasch bedeckte sie ihr bleiches Gesicht und wandte sich ab, doch ehe sie zwei Schritte getan hatte, hörte sie das, was sie befürchtet hatte: eine wohlbekannte Stimme, die “Miss Worthington?” rief.
Ross Trelawney löste sich aus einer Gruppe eleganter Damen und Herren und trat stirnrunzelnd auf sie zu. Emma sah ihm die Überraschung an, als er sich davon überzeugt hatte, dass sie es tatsächlich war. Ross blickte von ihr zu dem jungen Dandy, der sie nun erbost betrachtete, da ein anderer Mann Erfolg zu haben schien, wo er versagte.
“Mr. Trelawney … wie geht es Ihnen?”, begrüßte ihn Emma mit einem gezwungenen Lächeln. “Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie in London sind.”
“Ich bin kürzlich aus Brighton eingetroffen, wo ich meinen Bruder und meine Schwägerin besucht habe”, erzählte Ross ihr und lächelte strahlend. Seine Augen allerdings musterten sie gedankenvoll. Er nahm ihren Arm und führte sie aus dem Gedränge. “Ist Richard bei Ihnen?”, fragte er unvermittelt. “Ich habe ihn heute zu Hause aufgesucht, doch er war nicht da.”
“Wieso … nein”, sagte Emma rasch. “Ich bin hier mit … jemand verabredet. Tatsächlich bin ich spät dran …” Sie lächelte entschuldigend und neigte grüßend den Kopf. Ihr war klar, dass sie schnell weggehen musste, denn sie war so außerordentlich froh, Ross zu treffen, dass sie ihrer Schwäche möglicherweise nachgab und bei ihm blieb. Sie hatte ihn von Anfang an gut leiden können – schließlich war er zu ihrer Verteidigung geeilt, ohne sie überhaupt zu kennen.
Immer noch charmant lächelnd, hielt Ross sie am Arm fest. “Sie müssen mir gestatten,
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