Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
verbranntem Fleisch zu stinken.
William sah sich entsetzt um. Tagelöhner, Handwerker und Kaufleute – Männer wie Frauen – ließen ihre Wut an den Juden aus, und William befand sich mitten unter ihnen! Während ein paar Männer mit langen Schläfenlocken versuchten, ihre Familien vor den Flammen und dem aufgebrachten Mob in Sicherheit zu bringen, begann die rasende Menge, Häuser und Geschäfte zu plündern. Den Juden blieb nichts anderes übrig, als Hab und Gut im Stich zu lassen, um das eigene Leben zu retten, und auch das gelang nur den wenigsten. Die wütende Horde erschlug die Wehrlosen, spießte sie auf und trat sie zu Boden.
Verstört kämpfte sich William durch den tobenden Pöbel, als er plötzlich Moses ben Chaim entdeckte, einen älteren Juden, der ihm wenige Tage zuvor in FitzEldreds Haus begegnet war. Der alte Mann blutete aus einer klaffenden Wunde am Kopf. Mit seinem Leib versuchte er, eine junge Frau und einen kleinen Jungen vor den Schlägen einer keifenden Matrone in vornehmer Kleidung zu schützen. William sah die angsterfüllten, weit aufgerissenen Augen der jungen Mutter, die ihr Kind, schluchzend und halb tot vor Angst, an sich drückte, und musste an Enid denken. Plötzlich jagte ihm ein weiterer Gedanke durch den Sinn: Wenn es ihm gelang, die Frau und das Kind zu retten, würde Gott ihm vielleicht vergeben, dass er nicht da gewesen war, als Enid …
Sofort stürzte er sich auf die Angreiferin, riss ihr das Brett aus der Hand, mit dem sie soeben ein weiteres Mal auf den Alten hatte einschlagen wollen, und stieß sie in den Dreck. Dann ergriff er Moses ben Chaim beim Ärmel, nahm die junge Frau schützend in seinen Arm und drängte sie zur Flucht. Sie kamen nur wenige Schritte voran, bis William einen Schlag auf der Schulter fühlte und ein lautes Krachen hörte. Er schob den Alten und die Frau in die nächste Gasse.
»F lieht zu FitzEldred! « , raunte er ihnen zu, dann strauchelte er und fiel zu Boden. Bevor der nächste Schlag auf ihn niederging, drehte er sich um. Es war die Frau, die er davon abgehalten hatte, den alten Moses zu schlagen. Sie hatte nun ihm das Brett auf den Rücken geschlagen und es dabei gespalten, ohne ihn jedoch ernsthaft zu verletzen.
»S ieh nur, Mutter, wie viel Geld, Hausrat und Schmuck sich die anderen geholt haben! « , rief ein junges Mädchen mit gierigem Blick und riss die Frau am Ärmel. »K omm, ich will auch was für meine Mitgift! «
Die Matrone trat noch einmal nach William. »E lender Verräter! « , zischte sie ihm zu, dann ließ sie sich von ihrer Tochter fortziehen.
William stand hastig auf, um nicht von den Flüchtenden und ihren Verfolgern zu Tode getrampelt zu werden. Er warf einen Blick in die kleine Gasse, doch Moses ben Chaim und die Frau mit dem Kind waren verschwunden. Ob sie dem wie besinnungslos tobenden Mob entkommen würden? William sah sich um, ob er noch jemandem helfen konnte, aber es schien kein Jude mehr auf der Straße zu sein. Wie im Rausch rissen sich die sonst ach so braven Londoner Bürger das Diebesgut gegenseitig aus den Händen und begannen gar, sich darum zu prügeln. Und weil die Reichtümer der Juden nicht alle befriedigen konnten, zündeten einige der Plünderer nun auch Häuser wohlhabender Christen an.
Wenn nur FitzEldred nichts geschehen war! William kämpfte sich durch die Menge. Er wurde dabei so grob angerempelt, dass seine Schulter heftig schmerzte, wurde zweimal niedergestoßen und um Haaresbreite von einem herabstürzenden Dachbalken erschlagen. Irgendwann fand er sich in einer ruhigeren Gasse wieder und rannte von dort aus, so schnell er konnte, zum Haus seines Herrn.
»W illiam, geht es dir gut? « , fragte FitzEldred besorgt, als er zur Tür hineinstürzte.
»S ie töten die Juden und zünden auch die Häuser wohlhabender Christen an « , berichtete William atemlos. »W ir müssen alle Fensterläden schließen und hoffen, dass der Mob nicht bis hierher vordringt. Hat es Moses ben Chaim bis zu Euch geschafft? Ich wusste mir keinen anderen Rat, als ihn mit der Frau und dem Kind herzuschicken. « William sah FitzEldred bekümmert an. Er wollte ihm keine Schwierigkeiten bereiten und hoffte, dass der Kaufmann seine Entscheidung guthieß.
»K eine Sorge, William, sie sind hinten im Stall und verstecken sich. Es war richtig, ihn herzuschicken. Seine Tochter bekommt bald ihr drittes Kind. «
»I hr drittes Kind? «
FitzEldred nickte geistesabwesend. »S ie muss sich schonen, die Aufregung um den Brand
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