Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
auch mal bei den Hunden oder im Pferdestall aushilft. Wie wär’s? « Er nannte den Lohn, den er zu zahlen bereit war, und die weiteren Bedingungen.
William konnte es kaum fassen. Der Kaufmann bot das Dreifache dessen, was er bei Tanner bekam, dazu Kleidung für den Winter und am Sonntag ein Stück vom Braten, von dem auch er selbst aß.
»I ch würde nichts lieber tun, denn das Gerberhandwerk erfreut mein Herz nicht « , antwortete William ungläubig lachend. »A ber ist das auch wahrhaftig Euer Ernst? «
»N un, ich beliebe zwar recht häufig zu scherzen, aber jemandem Hoffnung zu machen und sie dann nicht zu erfüllen, wäre nicht im geringsten Maße belustigend, findest du nicht? Komm am Sonntag nach der Messe in mein Haus, damit der Falkner dich sehen kann. Er ist derjenige, der das letzte Wort hat, denn er soll mit seinem Gehilfen zufrieden sein. « Der Kaufmann stellte sich als FitzEldred vor und erklärte William, wo er wohnte.
Beflügelt von der unerwarteten Aussicht, sein Leben wieder auf den richtigen Weg zu lenken, nahm William den Karren auf und schob ihn schwungvoll in Richtung Stadttor. Die Arbeit schien ihm mit einem Mal viel leichter von der Hand zu gehen, und auch der stickige, trübe Sommertag dünkte ihm plötzlich geradezu duftig und lieblich.
Die Tage bis zum Sonntag gingen nur schleppend vorüber. Als es dann jedoch endlich so weit war, schöpfte William im Brunnen Wasser, wusch sich gründlich und schrubbte besonders seine von der Gerberbrühe verfärbten Hände. Sein Hemd hatte er bereits am Vorabend gewaschen und während der Nacht zum Trocknen aufgehängt, sodass es nun einigermaßen sauber war. Vor allem aber roch es nicht mehr so übelkeiterregend nach der Gerberlohe. Er kämmte sich die lang gewordenen Haare mit Enids Holzkamm und band sie im Nacken mit einem schmalen Lederriemen zusammen. Auf dem Weg zum Kaufmann pflückte er noch etwas Lavendel aus dem winzigen Kirchgarten von St. Helen’s und zerrieb ihn zwischen den Händen. Nun dufteten sie herrlich.
William merkte, dass sich seine Anspannung ein wenig löste. Wie es aussah, bekam er tatsächlich noch einmal eine Chance. Vielleicht die letzte in seinem Leben. Egal, wie der Falkner des Kaufmannes sein würde – es musste ihm gelingen, den Mann von sich zu überzeugen. Er würde dabei bedächtig vorgehen müssen und durfte auf keinen Fall zu viel von seinem Wissen über die Greifvögel preisgeben, damit ihn der Falkner nicht für jemanden hielt, der versuchen würde, ihm seinen Platz streitig zu machen. Andererseits musste er zeigen, dass er den Falkner entlasten konnte und selbstständig zu arbeiten wusste.
Als William am Haus FitzEldreds ankam, wusste er sofort, dass er dort richtig war, denn der Kaufmann hatte den Weg gut erklärt und das Gebäude genau beschrieben. William holte tief Luft und klopfte ans Tor.
Es dauerte nicht lange, bis ein Knecht kam und ihm öffnete. Noch ehe William erklären konnte, wer er war, ließ ihn der sauber gekleidete Diener ein.
»M ein Herr erwartet dich bereits « , näselte er vornehm tuend und ging voran.
William überlegte, ob der Kaufmann verärgert sein würde. FitzEldred hatte ihm aufgetragen, nach der Messe zu ihm zu kommen. Aber William hatte es vorgezogen, ein bisschen zu warten, weil die meisten Kaufleute, ob reich oder arm, die Begegnungen nach der Kirche nutzten, um noch ein Schwätzchen mit Kunden oder solchen, die es werden sollten, zu halten. Außerdem war es eine günstige Gelegenheit, mit Geschäftsfreunden und Konkurrenten des eigenen Standes zu sprechen, Preise zu bereden oder kleine Streitigkeiten aus der Welt zu schaffen. Nun aber fragte er sich bang, ob ihn der Kaufmann wegen seines späten Kommens womöglich für faul halten würde.
Verunsichert lief er dem Diener nach und stolperte über die Schwelle. Herrje, das beginnt ja vielversprechend!, dachte er bei sich und wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Gewohnheitsmäßig zog er den Kopf ein, als er durch die Tür ging, doch im Gegensatz zum Haus des Gerbers war das in diesem nicht nötig.
Der Kaufmann empfing William freundlich und stellte ihm seine Tochter Robena vor, die höchstens dreizehn Jahre alt war und ihn mit einem koketten Lächeln begrüßte. Dann führte er ihn zu den Stallungen im hinteren Teil des Hofes, wo auch sein Greif untergebracht war.
Garth, der Falkner, erwartete sie bereits. Ein gewisser Vorbehalt war ihm anzumerken, doch das konnte William nur allzu gut verstehen. Was ihm
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