Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
sein Herr wohl erzählt hatte? Dass er einen Gerberlehrling getroffen hatte, der behauptete, etwas von der Falknerei zu verstehen? Williams Herz rutschte noch tiefer. Der Saker auf dem Jahrmarkt hatte zunächst immerhin einen guten Eindruck gemacht, und ob er tatsächlich sterben würde, erfuhren sie vermutlich niemals.
Nach den ersten Worten, die William mit dem Falkner wechselte, waren dessen anfängliche Bedenken jedoch ganz offensichtlich zerstreut. Sie sprachen über Einzelheiten des Abtragens und Lockemachens und waren sich bald einig darüber, dass sie in vielen Punkten die gleiche Meinung hatten. Garth holte den Greif des Kaufmanns, gab William einen Handschuh und ließ ihn den Terzel übernehmen. Als er sah, wie William mit dem Tier umging, wie gut er ihn hielt und wie aufmerksam er ihn betrachtete, nickte er FitzEldred zu und lachte zufrieden.
Am liebsten wäre William nie wieder fortgegangen, so wohl fühlte er sich vom ersten Moment an in FitzEldreds Haus. Doch der Anstand gebot es, zunächst zu Tanner zu gehen und ihn um Entlassung zu bitten. Wenn er William noch während der restlichen Markttage benötigte, so würde er ihm so lange zu Diensten sein, vorausgesetzt, der Kaufmann war damit einverstanden. FitzEldred schien von Williams ehrenhaftem Verhalten beeindruckt zu sein und willigte, ohne zu zögern, ein.
William versprach, so schnell wie möglich Nachricht zu geben, wann er seine Arbeit aufnehmen würde, und verabschiedete sich. Sein Herz jubelte vor Freude. Endlich würde er nun doch wieder mit Falken arbeiten!
Tanner, der in William eine zuverlässige Hilfe gefunden hatte, wollte ihn nicht so einfach gehen lassen. Er bot an, den Lohn zu erhöhen oder William sogar in die Lehre zu nehmen und auszubilden. Als der jedoch dankend ablehnte, wurde er wütend. Er beschimpfte ihn, und auch sein Weib mischte sich zeternd in die Auseinandersetzung ein. Also packte William seine wenigen Habseligkeiten zusammen und machte sich noch am selben Tag auf den Weg zu FitzEldred.
Der Kaufmann empfing ihn mit großer Freude und schickte ihn sogleich zum Falkner, damit er ihm die gute Nachricht, dass er bereits am nächsten Tag seine Arbeit aufnehmen würde, selbst überbringen konnte.
William bekam einen Platz auf dem Heuboden des Pferdestalls zugewiesen, wo auch der Hausknecht und der Stallbursche untergebracht waren. Garth dagegen hatte eine eigene Kammer, gleich neben dem Falkenschuppen. Er war ein gewissenhafter Falkner, nicht gerade offen für neue Gedanken, aber ein ruhiger Mann mit genügend Erfahrung, um zu erkennen, dass mehr in William steckte. Er sprach wenig und niemals laut, trank nicht, ging nie aus und führte ein geradezu asketisches Leben. Mit ihm zu arbeiten und sich ihm unterzuordnen, fiel William nicht sonderlich schwer.
Er verrichtete seine Aufgaben sorgfältig, beklagte sich nicht und hielt mit seiner Meinung hinter dem Berg, wenn er merkte, dass sie sich von Garths unterschied. So vermied er Streit, und alle waren zufrieden.
London, 3. September 1189
W illiam eilte durch die Straßen von Cheapside Richtung Norden. Er war spät dran, sicher wartete FitzEldred schon auf ihn. William drückte das kleine Päckchen mit den Lederstreifen an seine Brust. Er sollte neues Geschüh für den Falken daraus anfertigen.
Der Geruch von brennendem Holz, der ihm in die Nase stieg, erinnerte an Geräuchertes oder eine gut beheizte Stube im Winter. Gedanken an wohlige Wärme und brodelnde Grütze machten sich in Williams Kopf breit. Doch bald schon wurden die Rauchschwaden dichter. Sie brannten in den Augen und in der Brust. William lief, so schnell er konnte. Von überall her kamen Männer, die mit Fackeln, Heugabeln und Knüppeln bewaffnet waren. Immer mehr strömten hinzu und schlossen sich zu einer tobenden Menge zusammen.
»T ötet die raffgierigen Juden! Es ist der Befehl des Königs! « , brüllten einige Männer außer sich vor Zorn. »L ang lebe König Richard! « Dann hörte William von weiter hinten jemanden rufen: »D ie Milk Street brennt bereits. Nun legt auch die anderen Häuser der Juden in Schutt und Asche! «
Als er um die Ecke bog, packte ihn das nackte Grauen. Die Juden hatten ihre Türen verbarrikadiert und hofften so, den aufgebrachten Londoner Bürgern zu entkommen, doch diese ließen sich nicht von ihrem grausigen Vorhaben abbringen und zündeten die Häuser mit ihren Fackeln an. Schreie von Frauen und Kindern gellten durch das Prasseln der ersten Feuer, und es begann, nach
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