Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
und die Sorge um ihren ältesten Sohn, den sie nicht finden konnte, als die Überfälle begannen, haben ihr nicht gutgetan « , erklärte FitzEldred kopfschüttelnd. »L ass dir in der Küche etwas zu essen geben « , befahl er dann, doch William blieb wie angewurzelt stehen. »N a los, mach schon « , forderte FitzEldred ihn auf. »U nd dann geh dich waschen, du bist voller Ruß und Schmutz. «
William nickte, doch statt in die Küche ging er umgehend zum Stall. Während FitzEldred angespannt im Kontor saß und Pergamente ordnete, blieben William und Garth bei den Tieren und versuchten, die drei verängstigten Menschen zu beruhigen, die sich kreidebleich im Stroh aneinanderdrängten.
Garth nahm das Kind auf seinen Schoß. »H opp, hopp, Pferdchen « , sang er, ließ den kleinen Jungen, der wie sein Großvater auf den Namen Moses hörte, auf seinen Knien reiten und entlockte ihm so ein glucksendes Lachen.
Aus den Augenwinkeln betrachtete William die junge Frau. Sie musste ungefähr in seinem Alter sein, vielleicht ein wenig älter. Scheu besah er sich ihren runden Bauch. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie niederkam, darum sorgte er sich um ihr Wohlergehen. Er stand auf, beschaffte ihr Decken für die Nacht, holte ein ausgiebiges Mahl für die drei aus der Küche und brachte ihnen einen Krug erfrischenden Johannisbeermost.
Das Toben der Massen war noch eine ganze Weile zu vernehmen. Zunächst schien es näher zu kommen, und William fürchtete schon aufs Neue, dass auch FitzEldreds Haus in Gefahr sei, doch dann ebbte der Tumult langsam ab, und die Stadt kam endlich ganz zur Ruhe.
Als lange genug nichts mehr zu hören war, beauftragte FitzEldred seinen Knecht damit, die drei Juden noch vor Sonnenaufgang unauffällig aus der Stadt zu bringen, weil sie nicht sicher sein konnten, dass ihnen nicht weiterhin Gefahr drohte. Ein Wagen wurde angespannt, ein paar Kisten aufgeladen und eine Stoffplane darübergespannt, unter der sich die drei verstecken konnten.
William half der Frau, es sich so bequem wie möglich zu machen, und hob auch das Kind auf den Wagen.
Als es hell wurde, durchkämmten die Männer des Königs Londons Straßen auf der Suche nach den Schuldigen des Massakers. König Richard hatte den Juden zwar die Teilnahme an seiner Krönung in Westminster verweigert, jedoch niemals zu ihrer Tötung aufgerufen. Darum hatte er Ranulf de Glanville beauftragt, die Verantwortlichen zu bestrafen. Da aber, wie es schien, zu viele namhafte Bürger an den Übergriffen beteiligt gewesen waren, wurde beschlossen, dass es nicht im Interesse des Königs sei, sie alle zur Rechenschaft zu ziehen. Also wählte man drei weniger bedeutende Beteiligte aus und verurteilte sie zum Tode durch den Strang, um den Schein zu wahren.
Ganz London war schließlich auf den Beinen, um an der schon kurz darauf stattfindenden Hinrichtung teilzunehmen.
Auch FitzEldred, seine Tochter Robena, Garth, der Knecht, der Moses ben Chaim und seine Familie aus der Stadt gebracht hatte, die Köchin und natürlich William zogen los. Nicht an der Hinrichtung teilzunehmen, hätte bedeutet, die Gräuel der vergangenen Nacht gutzuheißen. Und so hatten sich auch die eingefunden, die an dem Aufruhr beteiligt gewesen waren. Viele von ihnen trugen noch deutliche Male der nächtlichen Auseinandersetzungen im Gesicht und blutgetränkte, rußgeschwärzte Kleider am Leib. Die wohlhabenden Bürger, die dabei gewesen waren, hatten inzwischen ihre Gewänder gewechselt, ihre Wunden versorgt, sich den Ruß von Händen und Gesicht gewaschen und taten nun, als wären für das Geschehene andere verantwortlich.
William erkannte die Matrone und ihre Tochter, die es sogar wagten, sich, großzügig mit Schmuck behängt, zu zeigen – Geschmeide, das sie vermutlich bei den Plünderungen erbeutet hatten. Angewidert suchte er sich einen anderen Platz in der Menge der Schaulustigen.
Bedachte man, wie viele Menschen sich versammelt hatten, so ging es erstaunlich ruhig zu. Die Possenreißer und Gaukler bekamen nur verhaltenen Applaus, und das Gelächter blieb gedämpft. Selbst die Marketenderinnen, die Aalpasteten und andere Köstlichkeiten verkauften, priesen ihre Waren nicht so laut an wie üblich. Ob sich die Menschen schuldig fühlten und beschämt waren? Oder empfanden sie die Hinrichtung der Verurteilten nur als erleichterndes Opfer, das gebracht werden musste, damit nicht noch mehr von ihnen bestraft wurden? William versuchte, in den Gesichtern der Menschen zu lesen,
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