Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
sehnsüchtigen Blick auf dessen Weib zu verraten. William nickte kaum merklich. Eines stand fest: Er hätte selbst nicht anders gehandelt.
»D er Steward kommt gut ein Weilchen ohne dich zurecht. Warum reisen wir nicht bald nach St. Edmundsbury? Ich kann es kaum erwarten, deine Familie kennenzulernen und ihnen den Kleinen vorzustellen, du vielleicht nicht? « , riss Marguerite ihn aus seinen Gedanken und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »R ichard ist fast fünf Monate alt, und das Wetter ist so mild, dass wir gut reisen könnten. «
William merkte erst jetzt, wie sehr er sich nach zu Hause sehnte. Nicht nur Robert fehlte ihm, sondern auch Jean und Isaac, Rose und seine Mutter.
» A lso gut « , stimmte er zu, als Marguerite ihn bittend ansah. »W arum nicht? «
»O b Robert jemals wiederkommt? « , fragte sie plötzlich mit einem bekümmerten, geradezu sehnsüchtig klingenden Ton, der Williams Eifersucht erneut weckte.
»E r fehlt dir wohl? « , erwiderte er schnippisch und ließ sie los.
»F reilich fehlt er mir, dir etwa nicht? « Marguerite sah ihn erstaunt an.
» G ewiss « , murmelte William verunsichert. Der Gedanke, Robert und Marguerite könne doch mehr als Freundschaft verbinden, war vollkommen lächerlich! Vielleicht liebte Robert Marguerite, aber umgekehrt?
»W orauf wartest du dann noch? Warum fängst du nicht endlich an, nach ihm zu suchen? Vielleicht ist er nach Oakham zurückgegangen. Wir könnten auf dem Weg nach St. Edmundsbury bei de Ferrers haltmachen « , schlug Marguerite vor, und schon spürte William neuen Argwohn in sich aufkeimen. Warum fragte sie nur immer wieder nach Robert? Die Tür des Misstrauens in seinem Herzen, die Odon nach der Hochzeit mit seiner Andeutung aufgestoßen hatte, vermochte er einfach nicht zu schließen, so sehr er sich auch bemühte. Der Verdacht, Odon könne womöglich die Wahrheit gesagt haben, steckte darin fest wie ein Pfeil und vergiftete seine Gedanken.
»N ein, das werden wir nicht. Schluss jetzt! Sprich nicht mehr von ihm « , forderte er in barschem Ton und ließ sie stehen. Mit langen Schritten ging er fort und kehrte erst in ihre gemeinsame Kammer zurück, als Marguerite bereits schlief.
Er zog sich aus, legte sich neben sie und löschte das Talglicht. Lange starrte er in die Dunkelheit, bis er schließlich einnickte. Bilder aus dem Kerker von Thorne mischten sich mit Erinnerungen an Robert. William warf sich auf seinem Lager hin und her und erwachte schweißgebadet. Wie zerschlagen lag er da und dachte über Treue und Freundschaft nach. Robert verloren zu haben ging ihm näher, als er sich eingestehen wollte, und schürte seine Angst, auch Marguerite eines Tages zu verlieren.
Als die Sonne aufging, fielen die ersten Strahlen durch die Ritzen des hölzernen Ladens vor dem Fenster und tauchten die Kammer in sanftes Licht.
Marguerite erwachte und streckte sich. »G ut geschlafen? «, erkundigte sie sich und küsste William auf die Wange. »U h, du kratzt! « Sie strich ihm über die nachwachsenden Bartstoppeln und lachte.
William nahm sie in den Arm und hielt sie so fest, als könnte sie ihm entgleiten, und mit einem Mal sprudelte aus ihm heraus, was ihm schon so lange auf der Seele lag.
» A uch er war mein Sohn « , schluchzte William, nachdem er Marguerite von Enids Tod und dem tragischen Ende des Kindes erzählt hatte. »E r war so winzig, viel kleiner, als Richard bei seiner Geburt gewesen ist, so zart und unschuldig! « William klammerte sich an Marguerite wie ein Ertrinkender und weinte bittere Tränen um seinen ersten Sohn. »I ch fürchte nichts mehr, als dich und Richard zu verlieren. «
Marguerite strich ihm über das Haar und versuchte, ihn zu trösten. »I ch weiß, mein Liebling. « Sie wiegte ihn in ihren Armen wie ein Kind und küsste ihn sanft. »L ass uns bald nach St. Edmundsbury aufbrechen « , flüsterte sie ihm ins Ohr. » D ie Abwechslung wird dir ebenso guttun wie die Nähe von Menschen, die du liebst. « Sie streichelte ihm sanft über die Schläfen und küsste ihn.
Bei St. Edmundsbury, M ärz 1202
W illiam hatte darauf bestanden, dass sie einfache Kleidung trugen, damit sie ohne weitere Begleitung reisen konnten und trotzdem nicht Gefahr liefen, überfallen zu werden. Wegen des milden Wetters kamen sie gut voran, und je näher sie St. Edmundsbury kamen, desto besser fühlte er sich. Seit der Druck nicht mehr auf ihm lastete, Schmied werden zu müssen, konnte er sich nichts Schöneres vorstellen, als
Weitere Kostenlose Bücher