Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
sein Pferd zu noch größerer Eile an.
Sie hatten die Wiese vor den Toren der Stadt noch nicht überquert, als ihnen ein Reiter entgegenkam. »A dam! « , rief dieser laut. »A dam, wo steckst du? « Der Mann sah sich suchend um.
William erkannte sofort, dass es Odon war. Er schien in Panik zu sein.
»H ier bin ich, Vater! « , antwortete der Junge laut und riss die Arme hoch, um ihm zu winken.
»W as hast du mit meinem Sohn zu schaffen? « , schrie Odon, als er William sah.
Die Erkenntnis, dass sich Odon wie jeder andere Vater um seinen Sohn sorgte, traf William vollkommen unerwartet, doch seine Wut und seinen Schmerz linderte sie nicht.
»E r hat mich gerettet, Vater! « , berichtete Adam. »I ch habe mir mit dem Messer ins Bein geschnitten. «
William sprang vom Pferd und ließ den Jungen oben sitzen. Auch Odon saß ab. Er öffnete den Mund, schien etwas sagen zu wollen, doch William ließ ihn nicht zu Wort kommen und stürzte sich auf ihn. Er packte Odon am Surcot und schüttelte ihn außer sich vor Wut.
Odon aber war kein Stallbursche, sondern ein ausgebildeter Kämpfer mit genügend Erfahrung vom Schlachtfeld. Mit einem geschickten Griff löste er Williams Hände und versetzte ihm einen heftigen Schlag in die Magengrube. William taumelte und fiel rückwärts auf die feuchte Erde. Ein spitzer Stein bohrte sich schmerzhaft in seinen Rücken. Odon trat nach ihm und stieß ihm seine silbernen Sporen in die Wade. William sprang auf, doch Rücken und Bein schmerzten heftig, und Odon war schneller. Seine Fäuste trafen William so zielgerichtet auf Nase und Magen, dass er sich krümmte. Dann schlug Odon ihm so heftig in die Lenden, dass William kaum noch Luft bekam.
»N icht, Vater, du darfst ihn nicht schlagen! Er hat mir doch geholfen! « , rief der Junge nun ängstlich. »B itte, tu ihm nicht weh! « , greinte er.
Odon sah ungläubig zu seinem Sohn auf, der noch immer auf Williams Pferd saß. »J ammere nicht herum! Hast du nicht gesehen, dass er mich angegriffen hat? « , knurrte er Adam an und vernachlässigte einen Moment lang seine Deckung.
William wusste, dass er die Gunst dieses Augenblicks nicht ungenutzt verstreichen lassen durfte. Er biss die Zähne zusammen, richtete sich auf und schlug Odon von unten mit der Faust ins Gesicht. Er war kein ausgebildeter Kämpfer wie sein Gegner, aber Wut und Verzweiflung gaben ihm Kraft. Er hatte Glück und traf Odons Kinn so, dass der zusammensackte, als hätte man ihm die Beine weggezogen. William zückte sein Jagdmesser, riss seinen verhassten Widersacher hoch und setzte ihm die Klinge an die Gurgel.
Der Junge war inzwischen vom Pferd geklettert und zu ihnen gerannt. »L asst meinen Vater los! « , schrie er und trommelte mit den Fäusten gegen Williams Rücken, doch der ließ sich nicht davon stören.
»K annst du dich an die Frau im Wald erinnern? « , schrie er Odon an, als dieser versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Williams Nase pochte so schmerzhaft und heftig wie sein aufgeregtes Herz. »D u hast sie umgebracht und ihr das Kind aus dem Leib geschnitten. « Er rang nach Luft. »D as war mein Sohn! « , schrie er wie von Sinnen und drückte die Klinge gegen Odons Hals. Er würde ihn töten, jetzt gleich. Endlich konnte er Rache nehmen für Enids Leid! Er hatte sich nie verzeihen können, dass er nicht da gewesen war, um ihr zu helfen. Endlich konnte er es gutmachen!
»I ch … ich habe nichts damit zu tun « , behauptete Odon feige, als sich die Klinge in seine Haut bohrte.
Die Schläge des Jungen erlahmten und setzten schließlich aus. Abwartend sah er seinen Vater an.
»E s hat keinen Sinn zu leugnen, Odon. Dein Messer, das du dem Jungen geschenkt hast, bezeugt das Gegenteil. Auf der einen Seite fehlt das Plättchen mit dem Ulmenblatt. Ich habe es bei meiner Enid gefunden, am Tag ihres Todes, auf ihrem Lager. « William fühlte, wie sein glühender Hass und sein Schuldgefühl mit jedem Wort größer wurden.
»A ber ich habe sie nicht getötet, es waren Bevis und … « Plötzlich lachte Odon spöttisch auf. »D u weißt es erst seit heute und bist nur durch das Messer draufgekommen? « , fragte er und fing dann an, hysterisch zu lachen. »D ein Freund Robert hat dir nichts gesagt? « Er japste nach Luft. »D ie treue Seele weiß es schon seit Jahren. Ich habe keine Ahnung, woher, aber ich frage mich, warum er es dir wohl verschwiegen hat? « Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »V ielleicht weil er davon träumt,
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