Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
einer von seinen Kumpanen feststellte, dass die Merline die kleinsten Vögel der Falknerei waren, beäugte Odon sie ebenfalls kritisch, und als er feststellte, dass der Knappe recht hatte, dämpfte das seine Vorfreude ganz erheblich.
William konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, wandte sich aber umgehend ab, als Odon drohend zu ihm hinübersah.
Sobald alle versammelt waren, machte sich die kleine Jagdgesellschaft auf den Weg in flaches Gelände, wo Merline am liebsten jagen.
William und Robert trugen die Vögel sicher und voller Stolz. Aus den Augenwinkeln beobachteten sie Logan, um keine seiner häufig nur mit einer winzigen Geste angedeuteten Anweisungen zu verpassen. Die erste Beizjagd mit den Merlinen, so hatte er William und Robert prophezeit, würde ihnen immer im Gedächtnis bleiben. Wie die erste Liebe.
Die beiden Jungen waren nervös. Endlich würden sie sehen, ob sie ihre Falken gut genug abgetragen hatten, um kühne Jäger aus ihnen zu machen!
Bevor ein Falkner dem von ihm abgetragenen Vogel einen passenden Namen auswählte, musste der Falke zeigen, was in ihm steckte. Trotz ihrer Freundschaft hoffte natürlich jeder der beiden Jungen, sein Merlin möge sich als der bessere erweisen. In gebührendem Abstand zueinander stellten sie sich mit den Vögeln auf. Die beiden Knappen, die Odon begleiteten, bekamen den Auftrag, durch das Gras zu streifen und Singvögel aufzuscheuchen.
Sobald die ersten Vögel aufflogen, ließ William seinen Merlin los. Gespannt biss er sich auf die Unterlippe und beobachtete jeden Flügelschlag. Als hätte er nie etwas anderes getan, als zu jagen, wählte sich der Merlin eine Lerche, die abseits vom Schwarm aufgeflogen war, verfolgte sie zielstrebig in rasantem, niedrigem Flug und schlug sie nach einer herrlichen Verfolgungsjagd.
Sir Ralph war begeistert, und sogar Logan schien durchaus zufrieden mit dem Merlin zu sein.
William lief zu dem Falkenweibchen, als es auf seiner Beute saß und sie mit den Flügeln bedeckte, was der Falkner als »m anteln « bezeichnete. Der Falke versuchte auf diese Weise, seine Beute vor den neugierigen Blicken futterneidischer Konkurrenten zu schützen. Gierig begann der Merlin, die Lerche zu rupfen. Von seiner ersten Beute durfte ein Falke so viel kröpfen, wie er wollte. Logan hatte William zuvor eingeschärft, während dieser Zeit gut auf den Falken achtzugeben, weil es eine ganze Weile dauerte, bis er sich den Kropf gefüllt hatte. Manche Falken konnten anschließend kaum noch gerade stehen, geschweige denn ihre Beute noch mit dem Schnabel erreichen, so gefräßig waren sie. Gerade in den frühen Abendstunden aber waren sie während des Kröpfens für Adler oder Uhus, die sie als Fressrivalen ansahen, besonders leicht zu töten.
Später dann, bei weiteren Jagden, musste sich der Falkner sputen, um den Greif mit etwas Atzung – einem Herz oder einer Leber – von der Beute zu holen, damit das erlegte Tier nicht von ihm gerupft und gekröpft wurde. Je erfahrener ein Falke war, desto leichter war es, ihn zum Übertritt von der Beute auf die Faust des Falkners zu bewegen.
Als Nächstes musste sich nun Roberts Merlin bewähren. Es wurden erneut Vögel aufgescheucht, und das Merlinweibchen flog auf. Es konnte sich jedoch nicht auf Anhieb für eines der flüchtenden Tiere entscheiden. Zunächst flog es irritiert dem Schwarm nach, änderte dann aber die Richtung und nahm die Verfolgung einer jungen Drossel auf, die sich mehr und mehr von den anderen Vögeln entfernte. In ebenso rasantem Tiefflug wie zuvor Williams Merlin verfolgte nun auch Roberts Falke seine Beute. Gebannt beobachteten die Jungen die Szene und waren erleichtert, als auch er seine Beute schlug.
Sie konnten stolz auf ihre Falken sein. Beide Merline hatten sich bei ihrer ersten Jagd hervorragend bewährt, auch wenn Williams Merlinweibchen als knapper Sieger aus dem Wettkampf hervorging, weil es seine Beute entschlossener ausgewählt hatte.
»S ehr gute Jäger habt ihr da abgetragen, eine wahre Augenweide ihr Flug « , lobte Sir Ralph die beiden Jungen und schüttelte ihnen die Hände. »W ie werdet ihr sie nennen? « Er sah Robert zuerst fragend an.
»W ill … « Robert räusperte sich. »W illowy, die Geschmeidige « , antwortete er und warf William einen flüchtigen Blick zu, den dieser nicht einzuordnen wusste.
»U nd Grace, die Anmutige « , ergänzte William grinsend. Er hatte sich schon Tage zuvor den Kopf zerbrochen, um einen Namen auszuwählen, und vermutete, dass
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