Der silberne Sinn
auf. »Wie meinen Sie das?«
»Es ist schon richtig: Um den Stamm exakt zu bestimmen, brauchen wir Ihr Blut mit dem Bakterium. Die Zellen müssen dazu aber nicht mehr leben. Schon ein Blutstropfen in einem Taschentuch kann ausreichen, um die Mikroben zu identifizieren. Sie haben im Dschungel nicht zufällig Nasenbluten gehabt und sich ein Kleidungsstück befleckt?«
Yeremi wäre fast der Hörer aus der Hand gefallen, als ihr siedend heiß einfiel, welchen fatalen Fehler sie begangen hatte. »Mein Lieblings-Snoopy-Schlaf-T-Shirt!«, keuchte sie.
»Wie bitte?«
»Ich hatte mir eine Platzwunde am Kopf zugezogen. Das ganze Blut tropfte mir aufs Nachthemd…«
»Prächtig! Genau das, was wir brauchen.«
»Leider habe ich meine verschmutzte Wäsche im Hotel reinigen lassen. Das Snoopy-T-Shirt ist wieder wie neu.«
»Oh!«
»Das wär’s dann wohl, oder?«
»Nun… Nicht unbedingt. Der menschliche Organismus ist ein Wunderwerk der Schöpfung, das uns noch eine Hintertür offen hält. Vielleicht haben Sie schon einmal vom immunologischen Gedächtnis gehört?«
»Allerdings. Wenn man einmal krank war, dann erinnert sich der Körper daran und kann den Erreger beim nächsten Mal bekämpfen.«
»In vielen Fällen trifft das zu. Gäbe es kein immunologisches Gedächtnis, brauchte man kleine Mädchen nicht gegen Röteln oder andere Krankheiten zu impfen. Dank dieser Fähigkeit unseres Immunsystems kann man eine frühere Erkrankung in vielen Fällen indirekt nachweisen, also selbst dann noch, wenn die Erreger längst aus dem Körper herausgespült sind. Man verwendet hierzu Tests, durch die sich ganz spezifische Antikörper nachweisen lassen. Jeder Mensch produziert bei einer Bakterieninfektion innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen nach dem Befall solche Abwehrstoffe, die dann mehr oder weniger erfolgreich die Erreger bekämpfen. Ein Teil von ihnen kann sehr lange im Körper überdauern und bildet dort das besagte immunologische Gedächtnis. Wenn sich also in Ihrem Organismus Antikörper gegen das betreffende Bakterium nachweisen lassen, so müssen Sie in der Vergangenheit mit dem Erreger infiziert worden sein. Aus der Höhe des Spiegels der Immunkörper und der Zusammensetzung ihrer verschiedenen Arten kann der versierte Mediziner möglicherweise noch weitere Daten herauslesen: ob die Infektion erst kürzlich stattfand oder bereits lange zurückliegt und einiges mehr.«
»Wie genau ist diese Methode? Angenommen, das Bakterium wurde genetisch verändert, lässt sich dann der Stamm aus dem immunologischen Gedächtnis herauslesen?«
Unterkühltes Schweigen war alles, was Yeremi hörte. Offenbar hatte sie gerade ein heikles Thema angesprochen. Oder fragte sich Doktor Sibelius nur, worauf sie eigentlich hinauswollte? Endlich, sehr zögernd, antwortete er: »Das dürfte nur in Ausnahmefällen möglich sein. Solange der Erreger seine genetischen Veränderungen vor dem Immunsystem verbergen kann, wird es die gleichen Antikörper hervorbringen wie bei dem Original.«
»So als würde er sich hinter einer Maske verbergen?«
»Ja, in etwa. Die Maske wäre in dem Fall die Oberfläche des Bakteriums. Falls dieses nur in seinem Inneren verändert wurde, bleibt die Manipulation dem Immunsystem verborgen. Wenn dagegen auf der Zellwand des Bakteriums durch Mutation oder eine gentechnologische Veränderung ein neues Protein entstanden ist – das sind…«
»Eiweißstoffe, ich weiß.«
»Genau. Wenn also außen ein neues Proteinmolekül auftaucht, dann wird sich der fragliche Organismus höchstwahrscheinlich ins immunologische Gedächtnis des Körpers einprägen, und wir können ihn indirekt nachweisen.«
»Wie lange dauern diese Analysen?«
»Na ja… Je weniger man über die gesuchten Mikroben weiß, desto mehr Tests muss man durchführen. Ich würde sagen, in einer Woche könnten Sie die Ergebnisse bekommen.«
Yeremi bedankte sich für die Auskunft und reichte ihrem Großvater, der mitgehört hatte, den Telefonhörer.
»Hier ist wieder Carl. Kannst du sofort vorbeikommen und meiner Enkelin Blut abzapfen?«
»Für eine Patientin, die längst wieder gesund ist, legt deine Kleine ja ein mächtiges Tempo vor. Elli Weizmann wartet schon auf mich. Hausbesuch. Anschließend könnte ich auf einen Sprung bei dir reinschauen.«
»Grüß Elli von mir, und beeil dich, Heinz. Es gibt frisch gebackenen Kuchen.«
»Das ist etwas anders. Ich fliege.«
Der Arzt verabschiedete sich und legte auf.
Carl sah Yeremi an. »Bist du
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