Der silberne Sinn
wurden. Der Congressman hatte beim rechten vorderen Fahrgestell der Maschine Deckung gesucht. Wenige Meter von ihm entfernt lag Jackie Tailor. Die rechte Seite ihres Körpers war blutrot von Treffern am Unterarm sowie am Oberschenkel. Unweit von Ryans Assistentin entdeckte Frielander eine der Aussteigerinnen. Patricia Sturges, soweit er sich erinnerte. Ihr Sohn befand sich in der einmotorigen Maschine.
Nur noch wenige Herzschläge, und alles ist zu Ende, dachte der Reporter. Doch da bewegte sich die Angriffsformation an ihm vorbei. Frielander spürte die Schatten der Männer wie einen kalten Hauch über sich hinwegziehen. Aber niemand schoss auf ihn.
Was tun? Liegen bleiben und sich tot stellen oder um sein Leben laufen? Das hohe Gras neben der Rollbahn war vierzig, höchstens fünfzig Meter weit entfernt. Einen langen Augenblick lang haderte er mit sich selbst. Dabei fiel ihm etwas auf, das ihm in seiner Todesangst bisher entgangen war: Von den Flanken der Killereinheit aus wurde nur nach oben gefeuert, auf das Flugzeug. Wer dort noch lebte, lag wahrscheinlich zitternd am Boden der Kabine.
Wenn nicht jetzt, dann nie!
Gedanke und Handeln waren eins. Frielander drückte sich mit der unverletzten Hand aus dem Dreck. Kaum wieder auf den Beinen, rannte er am verlassenen Truck vorbei in das brusthohe Gras. Als er dort anlangte, kämpfte er gegen das unwiderstehliche Verlangen an, einfach weiterzulaufen in den Dschungel, nach Venezuela, an irgendeinen Ort, wo nicht geschossen wurde. Aber dann siegte ein anderer Instinkt, vielleicht der des ewig nach Storys suchenden Reporters, möglicherweise aber auch die Sorge um Greg und die anderen oder sogar die kristallklare Einsicht, dass er verbluten würde, wenn seine Wunden noch lange unversorgt blieben.
Frielander kam stolpernd zum Stehen und duckte sich ins Gras. Schnell öffnete er seinen Gürtel. Er wollte ihn zum Abbinden der Schlagader am Oberarm benutzen. Dabei ging er eher nachlässig vor, denn nachdem er sich zum Flugzeug umgewandt hatte, raubte ihm der Anblick des Gemetzels dort beinahe die Sinne.
In den Fenstern der Otter regte sich nichts mehr. Zahlreiche Einschusslöcher ließen für die Passagiere im Innern das Schlimmste ahnen. Die beiden NBC-Leute Bob Brown und Don Harris bewegten sich noch. Ihr Tontechniker Steve Sung rettete sich in diesem Moment, aus Arm und Schulter blutend, in den Dschungel. Ryan, Tailor und Patricia Sturges lagen bewegungslos im Matsch. Waren sie schon tot? Oder hofften sie noch auf ein Wunder?
Anscheinend wollte der Führer des Mordkommandos solche nicht zulassen. Deshalb kümmerte er sich persönlich um die Gnadenschüsse – kaum anders konnte man nennen, was er auf beispiellos ruhige und gründliche Art tat. Er lief zu Don Harris, der sich unter der Mitte der Otter im eigenen Blut wälzte. Der Kommandeur senkte die Mündung seines wie eine Schrotflinte aussehenden Gewehres, bis sie direkt auf den Kopf des NBC-Korrespondenten zielte, und drückte aus kürzester Entfernung ab.
Frielander hielt sich die rechte Hand vor den Mund, weil er glaubte schreien zu müssen. Er hatte schon viel erlebt, aber noch nie ansehen müssen, wie einem Menschen das Gehirn aus dem Schädel geblasen wurde. Schießpulver glühte noch auf der Kleidung des Opfers. Es war ein grauenhaftes Bild.
Aber das Werk des schwarzen Killers hatte gerade erst begonnen. Als Nächstes nahm er sich die Mutter von Dale Sturges vor. Dasselbe kaltblütige Vorgehen. Oder sah er sein grausiges Handeln als coup de grâce! Nein, ein Gnadenstoß tötet ein Lebewesen, das im Sterben liegt. Aber Patricia Sturges schien keine ernsthaften Verletzungen zu haben – bis ihr halber Kopf weggeschossen wurde. Eine blutige Wolke benetzte das Flugzeug. Die Hirnmasse der Ermordeten spritzte bis zu Jackie Tailor hinüber. Doch Ryans Assistentin stand auf der Abschussliste weiter unten. Zunächst widmete er sich Bob Brown. Die Gestalt im Tarnanzug setzte dem Kameramann die Gewehrmündung an den Kopf – Brown stöhnte noch einmal auf –, dann wurde abgedrückt.
Frielander hatte die Augen zugekniffen. Als er sie wieder öffnete, lag das, was von Browns Kopf noch übrig war, in einer blutigen Lache. Die Bestie befand sich bereits auf dem Weg zu Leo Ryan. Der Congressman regte sich. Er lebte also. Noch! Falls er vor seinem Henker fliehen wollte, dann kam dieser Versuch viel zu spät. Als der Kommandeur an Jackie Tailor vorbeilief, geschah etwas Unerwartetes.
Aller Augen waren wohl auf die
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