Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
Kämme aus Gold, Silberspiegel, eine mit Luft gefüllte Glasamphore, in der ein echte Rose wuchs, und eine Kristallvitrine, in der schwarze und weiße Perlen in Größen ausgestellt waren, für die mancher Landbewohner gemordet hätte. Fi schwamm hinüber zu den Delfinfenstern und erkannte an der rötlich dunklen Spiegelung der Meeresoberfläche, dass sich der Tag allmählich dem Ende entgegenneigte. Dafür mehrte sich die Anzahl der Leuchtquallen, die den Wogenpalast in ein geheimnisvolles Licht tauchten. Sie machte sich schon Sorgen, wo Nikk blieb, als sie auf ein Mosaik an der Wand aufmerksam wurde, das aus Hunderten bunten Flusskieseln bestand und dieselbe Szene wie die Rankenstatuen in Jada’Maar darstellte: die Begegnung des Elfenkönigs Avalaion mit Nikks Urururgroßvater Poseleion. Seltsam, Fi hatte den Eindruck, als würde sich der Glyndlamir erwärmen. Doch kaum berührte sie das Mondeisenamulett, verflog das Gefühl wieder.
Endlich kehrte Nikk zurück. Der Meermann hielt den Dreizack der Wogen in der Rechten und wurde von fünf wunderschönen Meernymphen begleitet. Ihre langen Haare trieben wie seidene Schleier in den Fluten und ihre Körper mit den silbrigen Fischschwänzen glänzten, als wären sie mit Öl eingerieben worden. Sie trugen Hüftgürtel mit Gold- und Bernsteinapplikationen und mit Edelsteinen besetzte Armreifen an den Oberarmen. Eine von ihnen hatte sogar einen Schleier vor dem Gesicht. Neugierig richteten sie die Blicke auf Fi, die nun doch einen Funken Eifersucht in sich spürte.
Darf ich vorstellen, sagte Nikk. Das ist Fiadora, die überaus tapfere Tochter der einstigen Elfenregenten Albions. Ihr verdanke ich es, den Dreizack der Wogen gefunden zu haben. Und das hier sind meine Geliebten Luamil, Baludine, Lalawe, Muschola und Oceana.
Wie Nikk vorhergesagt hatte, schienen sich die Nixen über Fi zu freuen. Sie schossen auf sie zu, umschwammen sie aufgeregt und berührten sie.
Danke, dass du uns unseren geliebten Nikk zurückgebracht hast.
Du hast etwas gut bei uns.
Möchtest du meine Freundin sein?, geisterten ihre mädchenhaften Stimmen in Fis Kopf und sie zwang sich zu einem Lächeln.
Effreidon hat sie die ganze Zeit in ihre Gemächer eingesperrt, zürnte der Meermann. Und jetzt bewaffnet euch, meine Geliebten. Die Sache ist noch lange nicht ausgestanden! Er schob einen Algenvorhang an der Wand beiseite, hinter dem eine stolze Sammlung prachtvoller Jagdharpunen zum Vorschein kam. Die Meernymphen glitten darauf zu und rüsteten sich. Auch Fi nahm eine Harpune an sich.
Kommt! Nikk gab ihnen mit dem Dreizack ein Zeichen und sie verließen die Königsgemächer. Als wäre sie ein Teil von Nikks Schwarm, tauchte Fi an einem breiten Muschelbecken vorbei, ließ bunte Zierfische an sich vorüberziehen und durchquerte eine Art Tanzsaal, der mit Perlmutt getäfelt war. Nikk und die Meernymphen legten ein Tempo vor, bei dem Fi nur mithalten konnte, weil sie immer wieder von einer der Nixen gezogen wurde. Schließlich erreichten sie einen langen Gang, dessen Wände von großen Reliefs aus weißem Muschelkalk geziert wurden. Sie zeigten Meermänner und Meernymphen im Kampf gegen Seeschlangen, Kraken, Humeriden und Riesenkrebse – aber auch gegen Angreifer, die große Ähnlichkeit mit dem Meervolk hatten. Der einzige Unterschied war, dass sie Beine statt Flossen besaßen.
Was sind das für Meeresbewohner?, fragte sie die Nymphe, von der sie gerade gezogen wurde. Die Nixe folgte Fis Blick und ihre Miene verfinsterte sich. Das sind die hinterhältigen Tritonen!, ertönte ihre Stimme in Fis Kopf. Sie ähneln uns äußerlich, doch sonst haben sie nichts mit uns gemein. Sie leben weit weg im Westen und Süden. Das Meer ist viel größer, als du denkst.
Sie erreichten einen gewaltigen Korridor, an dessen Ende sich ein hohes Marmorportal mit goldenen Schmuckbändern abzeichnete. Vier Meermänner mit Waffen, die sichelförmigen Hellebarden ähnelten, hielten davor Wache. Sie schreckten sofort auf, als sie Nikk und seinen Schwarm auf sich zukommen sahen.
Wagt es nicht, euch mir in den Weg zu stellen!, herrschte Nikk die Palastwachen an und hob den Dreizack der Wogen. Die vier Meermänner starrten ihn ungläubig an.
Prinz Nikkoleus? Aber Ihr … Wie kann das sein?
Öffnet das Portal! Nikk schwamm unbeherrscht auf die Wachen zu. Ihr wurdet von einem Verräter und Königsmörder hinters Licht geführt!
Die Wachen sahen sich hilflos an, dann öffneten sie das mächtige Fluttor. Nikk jagte sofort
Weitere Kostenlose Bücher