Der Skandal (German Edition)
nicht erzählen.
»Ich hab mir mal ein paar Infos über die Firma von Pete Kondracki geben lassen. Er hat das Institut vor acht Jahren gegründet.«
»Ja … ich weiß.« Warum sie das weiß, sagt sie ihm lieber nicht.
»Er ist Geophysiker und Geologe … und jetzt wird es interessant.« Er räuspert sich. »Pete Kondracki ist zusammen mit Tim aufs College gegangen!«
Du müsstest ihn eigentlich auch gekannt haben, diesen Satz erwartet sie jetzt. Aber Aaron sagt: »Warum sagst du nichts? Er hat Tim gekannt! Du hast den richtigen Riecher gehabt!«
»Ich?«
»Ja! Hey, was ist los mit dir?«
Sie müsste es ihm jetzt sagen.
»Also, hör zu!«, fährt er fort. »Kondrackis Institut stand schon ein paarmal kurz vor dem Aus. Finanzspritzen von seinen Schwiegereltern haben es immer wieder gerettet. Sein Schwiegervater war einige Jahre lang stiller Teilhaber, das wurde dann aber wieder geändert. Wieso, hab ich noch nicht rausgekriegt. Offiziell gehört die Firma nur Pete Kondracki.«
Diese Schwierigkeiten hat Pete ihr gegenüber mit keiner Silbe erwähnt. Du musstest dich ja auch unbedingt auf andere Art mit ihm beschäftigen, bemerkt ihre innere Stimme lästernd.
»Und das wird dich sicher auch noch interessieren – seine Firma hat gerade einen ziemlich dicken Auftrag bekommen: Erstellen eines Gutachtens für die Redmill Mine bei Ashland. Sie wird von Polycorp Minerals betrieben und ist gerade wieder eröffnet worden. Es gab Umweltauflagen, die Polycorp vor zehn Jahren nicht mehr erfüllen konnte.« Er macht eine Pause und fragt dann: »Meinst du nicht, es wäre mal an der Zeit, mir zu sagen, was du da oben gemacht hast? Wenn du nichts sagst, kann ich dir auch nicht helfen.«
»Ich hab Kondracki ein bisschen auf den Zahn gefühlt.« Tolle Beschreibung, Christina, für das, was ihr da oben getrieben habt . Und bevor Aaron weiterfragen kann, sagt sie schnell: »Sandra Kondracki war Tims Patientin, das wissen wir inzwischen, aber es gibt keine Akte.«
»Ja, das ist seltsam …«
»Sandra wollte nicht, dass jemand erfährt, dass sie zum Psychiater geht …«
»Psychiater sind doch an die Schweigepflicht gebunden, also hat dein Bruder es bestimmt nicht an die große Glocke gehängt, dass er eine Sandra Kondracki als Patientin hat.«
»Nein, natürlich nicht …«
»Vielleicht hat jemand die Akte mitgehen lassen«, meint Aaron, »oder sie hat sie selbst mitgenommen. Ich habe gelesen, Sandra Kondracki stammt aus einem konservativen Elternhaus. Ihr Vater ist immerhin Vorsitzender des Carroll College . Vielleicht hat sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, oder sie nimmt Drogen, vielleicht hat sie abgetrieben oder entdeckt, dass sie ’ne Lesbe …«
Christinas Handy zeigt einen neuen Anruf an. »Ich muss auflegen, Aaron, ich melde mich wieder.«
Die Telefonnummer auf dem Display kennt sie. Sie ahnt nichts Gutes.
»Setzen Sie sich, Andersson.«
Christina schiebt den Stuhl vor Mullers Schreibtisch ein Stück nach hinten, dann setzt sie sich und wartet. Muller wartet auch. Sie trägt einen champagnerfarbenen Hosenanzug aus einem Stoff, der aussieht wie Seide. Ihre Haare sind perfekt geschnitten, und mit der frischen Tönung glänzen sie wie in einer Shampoo-Werbung. Der ganze Schmutz der Straße, der Verbrechen und Intrigen scheint ihr nichts anhaben zu können.
Christina erspart sich, ihr eigenes Outfit genauer zu betrachten. Seit gestern, als sie nach Ashland aufgebrochen ist, hat sie dieselben Sachen an: den grob gestrickten Pullover, den sie vor zwei Jahren bei Kohl’s im Schlussverkauf erstanden hat, und die Jeans, die auch schon ein Jahr alt ist. Ihre festen Boots haben Schneeränder – und ihre Haare hat sie heute Morgen einfach zurückgebunden, nachdem sie wenigstens noch schnell unter die Dusche gesprungen ist.
»Sie waren in Ashland.« Es ist eine Feststellung, keine Frage.
»Ja, weil … Ich hatte einen Grund.« Sie gibt Muller Tims Organizer. »Da steht ein Name drin. Der Name einer Person, die ich … die ich gut kenne.«
Muller blättert in Tims Organizer, während Christina kurz zusammenfasst, was sie herausgefunden hat: dass Sandra Kondracki Tims Patientin war, dass aber keine Akte von ihr existiert.
»Warum haben Sie den Organizer nicht bei Ihren Kollegen abgegeben?«, fragt Muller. »Ich muss Ihnen nicht sagen, dass sie Beweismaterial unterschlagen.«
»Sie haben es ja jetzt.«
»Sie müssen nicht glauben, Andersson, dass Sie sich über alle Regeln hinwegsetzen können.
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