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Der Skandal (German Edition)

Der Skandal (German Edition)

Titel: Der Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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Schneeverwehungen kommt er gut durch. Der alte Steg ragt als dunkler Schatten weit hinaus auf die weiße Eisfläche des Sees. Im Diner auf der anderen Straßenseite brennt noch Licht. Er hat Hunger, aber er will lieber mit ihr allein sein.
    »Ich hab noch was im Kühlschrank«, sagt sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Hackbraten mit Ei.«
    »Das klingt gut. Aber ich sollte nicht so viel essen.«
    »Du? Ach, du kannst noch was vertragen!«
    Er ist glücklich, wie er so mit ihr durch die Nacht fährt. Die Scheibenwischer arbeiten auf Hochtouren, Gott sei Dank sind es nur noch wenige Hundert Meter zu ihrem Haus.
    »Angela zieht nächsten Monat zu ihrer Tochter nach Green Bay«, sagt sie, als sie vor ihrem Haus angekommen sind.
    »Angela?« Er versucht, mit dem Namen ein Gesicht zu verbinden.
    »Die hab ich dir doch neulich vorgestellt. Sie arbeitet auf meiner Station …«
    »Die, die die ganze Zeit von ihrem Mann erzählt hat?« Er hat Katie vor ein paar Tagen von der Spätschicht abgeholt. Die Überraschung hat ihr gefallen.
    »Ja«, sagt Katie, »das macht sie einfach fertig, nach zwanzig Jahren!«
    Er stellt den Motor ab, und sofort bedecken Schneeflocken die Scheibe. Nur ein Schimmer von den Laternen dringt noch zu ihnen herein. Er fragt sich gerade, warum sie ihm von Angela erzählt, da sagt sie: »Sie vermietet ihr Haus.«
    Sie macht eine Pause, und er überlegt immer noch, was sie damit sagen will, da fährt sie fort: »Vielleicht wäre das was für dich.«
    »Ich hab ein Haus, Katie. Eins in Helena und dann noch den Container bei der Mine.«
    »Ich hab gedacht, es würde dir vielleicht gefallen, wenn du nicht immer auf der Mine …«
    »Das steht so in meinem Vertrag. Als Leiter muss ich vor Ort sein. Und außerdem ist es praktisch.«
    »Ich dachte …«
    »Was dachtest du?«
    »Diese Mine …«
    »Ja?«
    Sie blickt auf die zugeschneite Scheibe. »Vielleicht könntest du woanders einen Job …«
    »Mir gefällt der Job. Davon abgesehen: Mit fünfundfünfzig kriegt man die Angebote nicht gerade nachgeschmissen.«
    Sie erwidert nichts.
    »Warum sagst du so was, Katie? Hast du was gegen meinen Job?«
    »Du weißt doch, sie haben die Mine damals geschlossen, weil …«
    Er fällt ihr ins Wort: »… weil es Neodym woanders billiger gab, ja.«
    »Weil es Getuschel gab.«
    »Getuschel? Du glaubst, so ein Unternehmen wie Polycorp Minerals schließt eine Mine, in die es damals Millionen investiert hat, wegen … Wie nennst du es? Getuschel?« Er sieht zu ihr hinüber. Solche Diskussionen mag er nicht führen, schon gar nicht mit ihr. Er will nicht, dass seine Arbeit ihr Zusammensein stört. Und doch kommen sie immer wieder darauf zu sprechen.
    »Kinder sind krank geworden.«
    »Katie, es gibt da keinen Zusammenhang.«
    »Woher willst du das wissen, Hal?«
    »Es gibt viele Untersuchungen. Es gibt das Gutachten. Glaubst du, die Mine hätte wieder eröffnet werden dürfen, wenn an den Vorwürfen etwas dran wäre?«
    Sie schweigt.
    So hat er sich den Ausklang des Abends nicht vorgestellt. Und, wie kriegt er es jetzt wieder hin? Darin ist er gar nicht gut.
    Da greift sie nach seiner Hand und lächelt ihm zu. Den ganzen Abend schon wollte er ihr von dem Schatten erzählen und wie er durch den Schnee darauf zugelaufen ist und was er Grausiges entdeckt hat und wie groß seine Angst ist – aber es hat nie gepasst. Und jetzt passt es auch nicht mehr.
    Bevor sie endlich von zu Hause losfährt, hat Christina sich drei Mal umgezogen und dabei überlegt, warum Muller sie eingeladen hat und ob sie die Einladung überhaupt annehmen soll.
    Letzten Endes hat ihre Neugier gesiegt.
    Gerade noch hat sie mit ihrer Mutter im Krankenhaus telefoniert. Jays Zustand ist unverändert. Er wirkt verstört. Christina muss zugeben, wie erleichtert sie ist, dass ihre Mutter sich um ihn kümmert. Die beiden scheinen sich sehr zu mögen. Als Großmutter ist sie ganz anders, als sie als Mutter gewesen ist. Damals hat sie nie Zeit gehabt, alles musste schnell gehen, und immer schien sie gehetzt zu sein und mit ihren Gedanken ganz woanders.
    Jetzt, in der Dunkelheit, spürt Christina, wie müde sie ist. Als sie an Pete denkt und worauf sie sich oben in Ashland eingelassen hat, geht es ihr auch nicht besser. Sie hat das Gefühl, dass sie nichts mehr geregelt bekommt.
    Die Tiefgarage des Bürohauses in Downtown Milwaukee ist ziemlich voll. Sie muss durch mehrere Gänge fahren, bis sie endlich einen Parkplatz findet. Während sie auf den Aufzug

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