Der Skorpion von Ipet-Isut
abwarten kannst, deine fremdländische Hure wieder zu besteigen?!“
Es dauerte einen Moment, ehe er sich von der Ungeheuerlichkeit der Ohrfeige wie von ihren Worten wieder erholt hatte. „Du hast kein Recht, so über Meritamun zu sprechen!“
„Ich habe kein Recht?!“ fauchte Nefertari außer sich. „Nachdem du fast zwanzig Jahre lang in MEINEM Bett gelegen hast?! ‚Meritamun’ – hast du versucht, sie mit einem Namen zu einer Tochter Kemets zu machen? Sie wird bleiben, was sie ist: eine Sklavin! Eine fremdländische Hure aus einer Schenke!“
„Sie ist meine Gemahlin!“
„Deine Gemahlin?“ Nefertari stieß ein sarkastisches Lachen aus. „Diese rothaarige Barbarin? Wann ist dir dein guter Geschmack abhanden gekommen?! Es wundert mich, dass du nicht gleich eine schwarzhäutige Bettlerin ausgesucht hast, um sie in dein Bett zu zerren!“
Bebend vor Wut setzte sie zu einem erneuten Schlag an, aber diesmal fing er ihren Arm ab und hielt sie fest.
„Was ist in dich gefahren, Nefertari? Mache ich dir Vorhaltungen über die anderen Liebhaber, die du dir in all den Jahren neben mir gehalten hast? Du hattest deine Amüsements und ich meine!“
„Und jetzt hast du keine Amüsements mehr, sondern eine Gemahlin! Ich war dir nicht mehr gut genug, ich war deiner Mühe nicht mehr wert, nicht wahr?“
Sie starrte ihn an; ihr Zorn begann, Verzweiflung Platz zu machen. „Du hast mich benutzt, Amenemhat! Nur benutzt, um an die Macht zu kommen, auf den Thron! Und nachdem ich dir das nicht mehr geben konnte-“
„Nun, du warst nicht sehr unwillig, dich benutzen zu lassen, oder?“
„Was hätte ich tun sollen, nachdem mich mein Vater in das Bett eines alten Mannes verschachert hatte? Mit Trauermiene herumsitzen wie diese erbärmliche Kiya?!“
Plötzlich schlang Nefertari ihre rechte Hand um seinen Nacken, zog seinen Kopf zu sich, bis ihre Lippen seinen Mund erreichten. „Ich werde dich aus dem Zauber lösen, in den diese Fremdländerin dich gehüllt hat! Wenn du mir nur Gelegenheit gibst…“ Sie küsste ihn hungrig und zornig zugleich.
Er versuchte, sie zurück zu schieben, als ein Schrei der Entrüstung die Königsmutter in Panik herumfahren ließ. Der erste Gedanke, dass einer der Diener gewagt hätte, ohne Aufforderung einzutreten, wurde im selben Moment von der unbarmherzigen Wahrheit zermalmt. In der Tür stand Iny, das Gesicht verzerrt in einer Mischung aus Enttäuschung, Wut und Hass.
„Du widerlicher Hundesohn!“ brüllte er, sein Schwert aus der Scheide reißend.
„Iny!“ Nefertari stürzte auf ihren Sohn zu, versuchte ihn fest zu halten.
Der junge Pharao packte seine Mutter roh am Arm und zerrte sie zur Seite. „Aus dem Weg, Hure!“
Dabei schlug er ihr so heftig ins Gesicht, dass sie rückwärts zu Boden stolperte. Dann trat er auf den Hohepriester zu. „Ich würde meine Klinge gerne durch deine stinkenden Eingeweide bohren! Aber…“
Die wilde Wut in seinem Gesicht machte einem grausam wirkenden Lächeln Platz. „…das wäre ein viel zu schneller und gnädiger Tod für dich!“
Amenemhat erwog die Chancen, unbewaffnet einen Kampf zu seinen Gunsten zu entscheiden und zu entkommen. All zu viele Möglichkeiten blieben ihm nicht; Nefertari lag reglos, vielleicht bewusstlos, am Boden. Sie konnte ihm nicht helfen. Mit einer raschen Bewegung warf er sich zur Seite, Ramses’ Überraschung ausnutzend, bekam den dreifüßigen Ständer des Blumenbeckens zu fassen und schwang ihn nach oben. Der Pharao versuchte den Hieb mit seinem Schwert abzuwehren, verfing die Klinge jedoch im Schmuckgitter des Ständers und verlor die Waffe. Mit einem Wutschrei hechtete er auf seinen Gegner zu. Der Bronzeständer traf ihn hart, aber im Moment fühlte er nichts. In seinen Augen lag nackte Mordlust. Ein, zwei Faustschläge und Amenemhat taumelte rückwärts. Er versuchte, seinen Kontrahenten am Gürtel zu packen und duckte sich zu einem erneuten Angriff. Aber im nächsten Augenblick fand er sich den Speeren dreier nubischer Gardisten gegenüber. Es war vorüber.
„Schafft ihn mir aus den Augen!“ schrie der Pharao mit zorndunklem Gesicht und stürmte aus dem Raum.
Iny-Ramses lief durch den Thronsaal wie ein gefangener Löwe, seinem finsteren Gemütszustand ab und zu Luft machend, in dem er eines der Möbelstücke oder eine der Obstschalen mit dem Fuß umstieß. Die Götter schienen sich verschworen zu haben, ihn an diesem Tag zu quälen! Erst das gebrochene Rad an seinem Streitwagen, die ihn
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