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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Götter mögen ihnen allen beistehen! Es wurde ihm die Nachricht zugetragen, dass die Libyer versuchen würden, uns eine Falle zu stellen und in den Rücken zu fallen. Dies ist es zumindest, was ich gehört habe. Aber ich war nicht dabei in der Beratung. Ich bin kein Soldat; ich habe nur die Wunden der Soldaten zu versorgen. – Du solltest nicht aufstehen, ehrwürdige Meritamun!“
    Ein schrilles, panisches Kreischen bereitete der kleinen Auseinandersetzung ein Ende, noch ehe sie recht begonnen hatte. Debora war auf den Beinen und vor dem Zelt, ohne dass der Arzt sie hätte halten können. Mit der Hand den Blick gegen die Mittagssonne schirmend entdeckte die junge Frau eine Gruppe von Soldaten, die versuchten, einen schreienden und um sich schlagenden Mann zu bändigen. Debora hörte etwas, das nach „feiger Deserteur“ und ähnlichen Beschimpfungen klang. Der Mann, dem sie galten, beschwor nur immer wieder die Strafe der Totengeister herauf, die auf alle Menschen herab kommen würden.
    „Hat wohl zuviel Sonne auf seinen Schädel bekommen“, kommentierte einer der Soldaten mitleidlos und stieß mit dem Fuß nach dem jammernden Häuflein im Sand. 
    „Ich habe sie gesehen! Über den ganzen Horizont! Sie werden auf uns niederstoßen wie die Rachedämonen... ich bin nicht so dumm, darauf zu warten, oh nein... oh nein!“
    „Sprichst du von dem Heer der Libyer?“ Debora hatte sich vor den Mann gekniet. Erst jetzt erkannte sie Khenti.
    „Die Libyer! Ja, die Libyer! Die Dämonen schicken sie uns! Wer marschiert denn auch durch das Reich der Dämonen?! Das muss sie zornig stimmen! Die Totengeister...“
    „Lass diesen Irrsinnigen, ehrwürdige Meritamun!“
    Aber sie schenkte dem Ruf keine Beachtung. „Khenti! Erinnerst du dich an mich? Ich bin es, Debora, das Mädchen aus Itakaiets Schenke!“ Es war keine Erinnerung, die sie selbst sonderlich gern wieder wachrief. Aber Khenti war ganz offensichtlich unter Amenemhats Kriegern gewesen; er musste wissen, wie es ihnen ergangen war! Und sie musste die Wahrheit hören, selbst wenn es im Augenblick eine mehr als Schreckliche zu sein schien. „Khenti!“
    Jetzt starrte der Mann sie an. „Gab es eine Schlacht? Was ist passiert?“
    „Sicher gab es eine Schlacht... Aber ich bin nicht dumm, ich habe meine Beine in die Hand genommen, als ich noch konnte! Ehe die Totengeister uns zerfleischen! Der Herr von Ipet-Isut hat uns alle in die Klauen der Dämonen gejagt!“
    „Sei still!“ Von sich selbst überrascht holte Debora aus und schlug Khenti ins Gesicht. „Sage mir jetzt, was geschehen ist!“
    „Das weiß diese kleine feige Assel doch nicht!“ Kommandant Pennuts Schatten fiel auf Debora und Khenti, als er voller Verachtung fortfuhr „Er ist ja davon gelaufen!“
    Die junge Frau richtete sich auf und sah sich um. „Wo ist mein Pferd? Ich will weiter!“
    „Durch die Berge? Dem Heer des Regenten nach? Du wirst dich verirren, Frau... Ehrwürdige Meritamun“, setzte Pennut noch hinzu.
    „Das werde ich nicht. Einen Weg, den so viele Füße nur einen Tag vor mir gegangen sind, kann man nicht verfehlen!“ 
    Debora hatte ihr Reittier unten am Fluss erspäht, wo es gerade von einem Jungen mit Futter versorgt wurde. Sie schlug die Stola, die sie bisher locker über den Schultern getragen hatte, zum Schutz gegen die Sonne um den Kopf und wandte sich um. „Du wirst mich nicht aufhalten, Pennut.“
    Er hatte nichts dergleichen vor, wenn er auch sah, wie der Heilkundige, der Debora gestern unter seine Fittiche genommen hatte, jetzt den Kopf schüttelte. Aber eine Frau in einem Heerlager war ein Problem, mit dem er sich keineswegs belasten wollte. Schon gar nicht mit dieser Frau, deren Haar das Flammenrot des brudermordenden Gottes Seth hatte. Des Gottes der Tapferkeit, aber auch des Wahnsinns und des Chaos! Nein, eine solche Frau konnte nur Unheil bringen, und das wollte er weit von sich wissen! Falls Amenemhat in der Schlacht unterlegen gewesen war, würde genau dieses ohnehin bald über sie alle herein brechen…
    Er verscheuchte die aufdringlich um ihn schwirrenden Fliegen – es schienen besonders viele dieses Jahr, auch ein schlechtes Vorzeichen – und sah der jungen Frau nach. Langsam, aber entschlossen schritt sie in Richtung ihres Reittieres.
    „He!“ Pennut gestikulierte zu einem seiner Männer, „Bring einen Krug Wasser und Brot, rasch!“ 
    Als Debora an ihm vorüber ritt, hielt er sie auf. „Du solltest Proviant mit nehmen. Es ist über eine Tagesreise

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