Der Skorpion
Winter?«
»Bereite ich mich in erster Linie auf den Sommer vor. Manchmal will auch jemand Schneeschuhwandern oder Langlaufski fahren.« Er rieb sich den Nacken. »Aber in letzter Zeit nicht. Nicht bei diesem Unwetter.«
Sie kniff die Augen zusammen. In ihren Ohren klang das nach Unsinn. Und seine Bauernjungentour kam bei ihr auch nicht an. »Sie bleiben den ganzen Winter über hier in der Hütte, ganz allein?«
»Ich habe doch Harley.«
Als der Name fiel, klopfte der Hund, ohne die Augen zu öffnen, mit dem Schwanz auf den Boden.
»Und Familie? Frau? Kinder?«
Er zögerte kaum merklich und presste leicht die Lippen zusammen, bevor er den Kopf schüttelte. »Nur Harley. Kurzform für Harlequin.« Er beugte sich herab und kraulte den Hund hinter den Ohren. »Und nein, den Namen habe ich ihm nicht gegeben. Jemand anderer hatte die Ehre.«
»Wer?«
»Harley habe ich mit der Hütte übernommen. Die habe ich vor ein paar Jahren irgendeinem Kerl abgekauft. Seine Hündin hatte gerade geworfen. Ein Welpe war gestorben, die anderen vier hat er verschenkt, und dieser hier ist bei mir geblieben.« Er zwinkerte dem Hund zu, der sich reckte und einen zufriedenen Seufzer ausstieß. »Bisher klappt es gut.«
»Sie fühlen sich nie einsam?«
Er zog einen Mundwinkel hoch. »Nicht so sehr, dass ich meinen Lebensstil ändern würde.«
»Haben Sie Verwandte?«
»Nicht viele.«
»Wie viele?«, fragte sie, neugierig geworden.
»Zwei Halbschwestern. Jünger als ich.«
»Ihre Eltern leben nicht mehr?«
Wieder das kurze Zögern, als müsste er sich in seinem Lügengeflecht zurechtfinden und sicherstellen, dass er sich nicht verriet. »Ich habe meine Mutter seit drei Jahren nicht gesehen. Soviel ich weiß, lebt sie mit Ehemann Nummer fünf … oder sechs? … ich weiß es nicht mehr genau, ist mir auch egal, aber das Letzte, was ich von ihr gehört habe, ist, dass sie irgendwo in der näheren Umgebung von Phoenix lebt.«
»Sie besuchen sie nicht.«
»Nein. Und es ist uns beiden sehr recht so. Mein Alter hat sich noch vor meiner Geburt aus dem Staub gemacht. War nie mit meiner Mutter verheiratet. Ich vermute, deshalb versucht sie es immer wieder.«
»Haben Sie ihn kennengelernt?«
»Was soll das? Ist das eine Art Frage-und-Antwort-Spiel?«
»So was in der Art«, sagte sie, und schließlich lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und musterte Jillian über den Rand seines Bechers hinweg, in dem der Kaffee wohl längst kalt geworden war.
»Also gut, ich habe ihn einmal getroffen. Als ich ungefähr achtzehn war. Es ist nicht sonderlich gut gelaufen.«
Sie bewegte sich in ihrem Sessel, und Schmerzen schossen durch ihr Bein, so heftig, dass sie nach Luft rang.
»Ich sagte doch, du sollst dich hinlegen«, tadelte er, stellte seinen Becher auf den Herd und erhob sich. »Falls du nicht im Schlafzimmer sein willst, kannst du dich hier aufs Sofa legen oder in den Lehnstuhl, da kannst du die Füße hochlagern.«
»Ach. Na gut.«
Er kam auf sie zu, nahm das Messer von dem kleinen Tisch und ging zu einem kleinen Schreibsekretär neben dem alten verschlissenen Lehnstuhl. »Vergiss das nicht«, sagte er und legte das Filetiermesser in Reichweite des Lehnstuhls ab.
»Ich brauche es nicht.«
»Natürlich brauchst du es. Du kennst mich nicht. Du traust mir nicht, und du sitzt hier fest. Und jetzt komm.« Er durchquerte noch einmal das Zimmer und reichte ihr die Krücke. »Du ruhst dich aus, und ich mache uns etwas zum Abendessen.«
»Abendessen?«
»Chili-Eintopf aus der Dose.« Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Gourmet-Chili«, erklärte er, half ihr beim Aufstehen und führte sie zum Lehnstuhl. »Glaub mir. Es wird dir schmecken.«
Das war ja das Problem. Sie durfte sich es nicht gestatten, ihm zu glauben. Nicht eine Minute lang.
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12. Kapitel
D urch das vereiste Fenster sah Regan Luckys Pick-up über die Zufahrt zum Haus heraufkommen. Vor dem Weg zur Haustür hielt er an.
Und natürlich saß er nicht allein in dem schwarzen, ungewöhnlich hochrädrigen Dodge.
Auf dem Beifahrersitz, cool und hochnäsig, die Augen hinter einer Designer-Sonnenbrille verborgen, saß seine neue Frau, die oft zitierte Michelle.
Pescolis Magen zog sich leicht zusammen. Zwar redete sie sich und der Außenwelt ein, sie wäre »schon längst« über ihren Ex hinweg, trotzdem verspürte sie immer noch einen Stich, wenn sie mit ihm zu tun hatte. Und mit seiner neuen Frau.
Regan verzog das Gesicht. Sie und Michelle trennten
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