Der Smaragdenregen
hören, und das ist die Hauptsache. Man muß sich bloß daran gewöhnen, ein Wellenmensch zu sein.«
»Ich will es versuchen…« erwiderte Kostja, der freilich noch nicht überzeugt war.
»Sei unbesorgt«, tröstete Viola ihn, »du schaffst es, und bestimmt sehr schnell. So, nun halt die Augen offen, wir brechen jetzt auf!«
Kostja machte ein paar unsichere Schritte und nahm erstaunt das Bild auf, das sich ihm bot.
Zuerst begriff er nicht das geringste. Das Land der Elme erschien ihm als eine sinnlose, aus den Fugen geratene Anhäufung von Gegenständen, die bei ihm auf der Erde einen bestimmten, angestammten Platz hatten. Um nichts in der Welt hätten sie diesen Platz zu Hause verlassen.
Zum Beispiel war es üblich, daß sich alles, worauf man stehen, laufen oder schwimmen konnte – sei es nun das Gras, der Fußboden eines Hauses oder auch das Wasser – u n t e n befand.
O b e n dagegen war im Freien der Himmel und sonst stets die Decke, egal, ob es sich nun um die einer Höhle, einer Stube oder eines Schuppens handelte.
Alle anderen Dinge zwischen Himmel und Erde aber hatten die Gewohnheit oder bemühten sich zumindest darum, senkrecht in die Höhe zu streben. Bäume, Blumen und Gräser wuchsen von unten nach oben, auch die Häuser standen im allgemeinen friedlich und gerade an ihrem Platz, ohne das Bedürfnis zu verspüren, sich auf die Seite zu legen oder mit dem Dach nach unten herumzuhängen. Ebenso ging es den Möbeln im Haus. Nie käme es ihnen in den Sinn, auf dem Kopf zu stehen und die Füße in die Luft zu recken.
Im Land der Elme jedoch verhielt es sich nicht so. Es galten offenbar völlig andere Regeln!
Zunächst einmal hatten sich Oben und Unten hier eingerichtet, wie es ihnen gerade gefiel. So erblickte Kostja eine kleine Waldlichtung mit Gras, Blumen und jungen Bäumen, und er sah auch ein Wölkchen, duftig wie eine Pusteblume. Nur schwamm dieses Wölkchen aus unerfindlichem Grund in Höhe seiner Knie und war so durchsichtig, daß es den Blick auf seine Schuhe freigab. Die Lichtung hingegen hatte sich über seinem Kopf breitgemacht, mit dem Gras und den Bäumen nach unten.
Das, so fand zumindest Kostja, stand einer Waldlichtung wirklich nicht zu! Aber das war noch nicht alles.
Der Raum um ihn her war von einer Vielzahl unterschiedlichster Gegenstände angefüllt, die in ihrer Gesamtheit ein einzigartiges, wundersames und miteinander völlig unvereinbares Sammelsurium bildeten. Das Ganze erinnerte an das Chaos bei einem Schiffsuntergang oder an eine Spielzeugtruhe, in der ein heilloses Durcheinander herrschte.
Hier gab es, kunterbunt zusammengewürfelt, Tische und Stühle, Bretter und Ziegelsteine, eine Tischlampe mit Schirm und einen Kochtopf ohne Deckel, ein Bilderbuch und einen Hammer. Auch eine Kuckucksuhr hing im Raum, aus der neugierig das Vögelchen herausschaute. Die Krönung von allem aber war ein sympathischer achtarmiger Krake, der es sich auf einer Meereswoge bequem gemacht hatte.
Das Chaos um ihn her erschien dem Jungen eher verwunderlich als rätselhaft. Und noch etwas anderes war ganz und gar ungewöhnlich: All diese verlorenen und vergessenen Teile einer merkwürdigen Sammlung existierten seelenruhig eines im anderen, machten es sich in- und umeinander auf sonderbare Art bequem.
Der Kochtopf zum Beispiel lugte hinter einer Tischkante hervor. Ein Stuhlbein steckte mitten in der Kuckucksuhr, hatte sie durchspießt und ragte ein paar Zentimeter auf der anderen Seite wieder heraus. Der Ziegelstein hatte sich zwischen den Bilderbuchseiten eingerichtet. Einzig der Krake war völlig losgelöst und unabhängig von allem; mal abgesehen von der Meereswelle, von der er sich offenbar niemals zu trennen gedachte.
Kostja war wie benommen von dem Wirrwarr um ihn her.
»Meine Güte, was sollen wir in diesem unglaublichen Durcheinander bloß machen?« fragte er.
»Wenn du willst, können wir hier mal etwas Ordnung schaffen«, schlug Viola vor. »Damit es ein bißchen wie zu Hause ist. Wir haben alles, was wir dazu brauchen: eine Wolke, eine Waldwiese, Bäume und sogar diesen netten kleinen Kraken. Das ist einfach unser Hund.«
»Nun ja, wenn du meinst…« Kostja war einverstanden. »Wir können es ja versuchen.«
Und sie machten sich ans Werk.
DIE ERSCHAFFUNG DER WELT
Doch wie sollten sie es anstellen, Ordnung in diese Welt zu bringen? Ratlos schauten die beiden zunächst auf das unglaubliche Durcheinander jenes Ortes, den sie zum Bauplatz ausersehen hatten.
»Als erstes
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