Der Sog - Thriller
Stille in der angenehm duftenden Luft wurde durch den silbrigen Aufprall von Blech auf den Fliesen des Lagerraums hinter der Ladentheke durchbrochen, gefolgt vom Klickern winziger Kugeln, die über den Boden sprangen.
» Mist!«, sagte eine Frauenstimme, und es folgte eine Flut geflüsterter Worte, bei denen es sich nur um Flüche handeln konnte.
» Hallo?«, rief Nicholas.
Stille. Dann schaute ein Kopf aus der Tür des Lagerraums. Ihr Haar war hellbraun, und ihre Augen waren dunkelbraun. Augen und Mund waren zu drei peinlich berührten Os geformt.
» Ach, du Schreck«, flüsterte sie und verschwand wieder außer Sicht.
Nicholas stellte seine Tüten ab und hob ein paar von den winzigen Objekten auf, die unter den Ladentisch gerollt waren. Es waren Holzperlen, nicht unähnlich denen, die ihm Suzette geschenkt hatte.
Die Frau kam hinter dem Ladentisch hervor und steckte sich das Haar hinter ein Ohr. » Ich bin so ein Trampel«, sagte sie.
Nicholas versuchte ihr Alter zu schätzen. Fünfundzwanzig? Dreißig? Ihre Haut war milchweiß und rein, ihre Lippen rot und geschürzt, als sie sich bückte, um die verirrten Perlen aufzuklauben.
» Ich falle Treppen hinunter«, sagte Nicholas.
Sie flitzte emsig hin und her, verschwand gelegentlich aus Nicholas’ Blick und sammelte Perlen auf. » Aha, aber dabei tun Sie sich nur selbst weh. Die Dinger hier dagegen …« Sie stand auf und schüttete sie aus ihrer Hand in die Dose, » die können auch andere Leute zu Fall bringen.«
» Was sind das für Perlen?«
Sie setzte eine schlaue Miene auf und drehte das Etikett der Blechdose zu sich, um heimlich abzulesen. » Weidenholzperlen – für Träume, Inspiration und Fruchtbarkeit.«
Nicholas nickte.
Die junge Frau lächelte. Es war ein hübsches Lächeln. Sie zuckte mit den Achseln. » Die Leute kaufen sie.«
» Ich habe selbst welche.«
» Weidenperlen?«
» Ich glaube, sie sind aus Holunderholz.«
Sie legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen, dann schüttelte sie den Kopf und zuckte wieder mit den Schultern. Nicholas fand, es war eine attraktive Geste. Bestimmt kauften Männer hier ein, nur um sie anzu-
sehen.
» Wie auch immer«, sagte sie. » Da ich Sie nicht zu Fall bringen kann, kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
Er dachte darüber nach. » Ich glaube nicht. Nein.«
» Okay«, sagte sie und runzelte die Stirn. Eine süße kleine Furche tauchte zwischen ihren Augen auf.
» An Ihrer Tür ist ein Zeichen«, sagte er.
» Ach ja?«
Er wies mit einem Kopfnicken darauf.
Sie kam hinter dem Ladentisch hervor. Sie war schlank und fast so groß wie er. Ihr Kleid war von einem altmodischen Schnitt, aber gut sitzend. Schlicht, doch ihrer Figur schmeichelnd. Sie hielt einige Schritte Abstand zu ihm, als sie zur Tür ging. Er sagte, sie solle sie aufmachen, und deutete auf die Rune.
Mit einem neuerlichen Stirnrunzeln blickte sie darauf. » Wissen Sie, das ist mir noch nie aufgefallen. Haben Sie das angebracht?« Sie richtete beide Augen auf ihn und sah ihn verblüffend offen an.
Er blinzelte, auf dem falschen Fuß erwischt. » Nein. Als ich ein Kind war, gab es hier eine Näherin. Sie war ein bisschen unheimlich.«
» Ich bin seit einem Jahr hier«, sagte die junge Frau. » Vor mir war ein Typ da, der Zubehör für Swimmingpools verkaufte. Der ganze Laden roch nach Chlor.« Sie zuckte wieder mit den Achseln und legte den Kopf schief, wie um zu fragen, wohin das alles führen sollte.
Nicholas wurde klar, dass es nirgendwohin führte. » Ich bin erkältet«, sagte er unvermittelt und fragte sich, woher die Worte gekommen waren.
Sie betrachtete ihn einen Moment lang. Der freimütige Blick war seltsam erotisch – als stellte sie sich vor, wie er sich auszog und fände den Gedanken angenehm. Dann nickte sie für sich und verschwand außer Sicht. Er hörte, wie Dosen geöffnet wurden und schlanke Finger in getrockneten Blättern raschelten. Sie kam mit einer Papiertüte wieder, die sie mit einem Aufkleber versiegelte. » Salbei, Ingwer, Sonnenhut, Knoblauch. Machen Sie einen Tee daraus.«
Nicholas nahm die Tüte mit argwöhnischer Miene entgegen. » Wie wird er schmecken?«
Sie lächelte. » Grauenhaft. Acht Dollar fünfzig.«
Als sie ihm auf seinen Zehner herausgab, fragte sie: » Sind Sie von hier?«
Nicholas sah sie an. Aus der Nähe konnte er ihr Haar riechen. Es roch nach Vanille, sauber und gut. Er überlegte einen Moment. » Ja. Nach Hause zurückgekehrt.«
Sie nickte billigend. » Nächstes Mal
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