Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
Denn dieser Krieg wird mit Magie geführt und durch sie entschieden werden, davon bin ich überzeugt.«
» Diese Überzeugung teile ich«, stimmte ihm Brogandas zu. » Ich gebe Euch einen guten Rat: Zieht auf möglichst direktem Weg zu Péandirs Burg an den Elbenfjord.«
» Warum?«
» Es ist vielleicht sogar zu spät, um noch etwas auszurichten.«
» Ich verstehe nicht, wovon Ihr sprecht. Worum geht es hier?« Lirandil versuchte noch immer, etwas von den Gedanken und Empfindungen des Dunkelalbs zu erfassen. Selbst kleinste Regungen wären für ihn hilfreich gewesen. Der Fährtensucher achtete auf den Herzschlag seines Gegenübers, lauschte dem Rauschen seines Blutes und studierte genauestens jede noch so kleine Regung in seinem von dunklen Runen bedeckten Gesicht. Ein für einen Menschen oder für ein anderes Geschöpf kaum wahrnehmbares Flackern der Augen oder eine winzige Unruhe, all das konnte für Lirandil mit seinen feinen Elbensinnen sehr aufschlussreich sein.
Wenn der elbische Fährtensucher auf seltene Geschöpfe traf oder einzuschätzen versuchte, ob ein Raubtier kurz davor stand, die Muskeln zum tödlichen Sprung anzuspannen oder sich träge und satt hinzulegen, dann achtete er genau auf diese körperlichen Anzeichen, die er bei unzähligen Geschöpfen vollkommen sicher zuzuordnen und einzuschätzen vermochte. Auch bei Menschen, Ogern oder Halblingen hatte er damit keinerlei Probleme, was der häufige Umgang mit ihnen mit sich brachte.
Doch Brogandas hatte sich vollkommen unter Kontrolle, sodass Lirandil nicht das Geringste an ihm wahrzunehmen vermochte. Dabei unterschieden sich Dunkelalben körperlich kaum von den Elben, abgesehen von den in die Haut eingebrannten Runen.
» Zuerst meine Bitte«, sagte Brogandas. » Ich würde Euch gern ins Elbenreich und auf Eurer weiteren Reise begleiten.«
» Warum?«, fragte Lirandil überrascht.
» Sagen wir, ich bin an dem Fortgang Eurer Mission sehr interessiert, werter Lirandil. Ihr solltet meinem Wunsch entsprechen, denn je nachdem, was ich dem Rat der Mächtigen von Khemrand berichte, wird sich das Reich von Albanoy entscheiden, ob es in diesem Konflikt neutral bleiben oder sich auf eine der beiden Seiten stellen soll. Sollte Letzteres der Fall sein, so wird es zweifellos die Seite des Siegers sein.«
» Wie üblich.«
» So ist nun einmal unsere Art, werter Lirandil.«
» Und was ist mit Eurer Warnung? Sprecht Ihr die nur aus, wenn ich Eurer Bitte nachkomme?«
Das kalte Lächeln des Dunkelalbs wurde noch breiter, noch eisiger. Und für einen Moment glaubte Lirandil sogar eine leichte Beschleunigung des Blutflusses bei seinem Gegenüber wahrzunehmen.
» Die Erfüllung meiner Bitte liegt in Eurem eigenen Interesse, was Ihr erkennen werdet, wenn Ihr darüber nachdenkt. Und was die Warnung betrifft, so geht es um ein ganz bestimmtes Mitglied des elbischen Königshauses. Einen Prinzen, der einer Nebenlinie der Familie von König Elbanador angehört, des ersten Königs der Elben, und vor anderthalb Jahrtausenden ein Auge verlor, ein Verlust, gegen den auch die Heilkunst der Elben machtlos ist…«
» Ihr sprecht von Prinz Sandrilas!«, entfuhr es Lirandil.
» Ihr scheint ihn zu kennen. Der beschleunigte Blutfluss in Euren Adern und der Schlag Eures Herzens verraten es mir.«
Es gefiel Lirandil überhaupt nicht, dass Brogandas auf dieselbe Weise die Zeichen seines Körpers las, wie er selbst dies normalerweise bei anderen Geschöpfen zu tun pflegte. Und dass sein Gegenüber offenbar zu einer weitaus stärkeren Selbstbeherrschung fähig war als er selbst, ärgerte Lirandil. Genau dies schien auch der Sinn von Brogandas’ Bemerkung gewesen zu sein, wie er durch sein Lächeln ganz ungeniert und offen zeigte. Er respektiert nur Stärke und Macht – und er will mir offenbar gerade beweisen, wer von uns beiden über mehr davon verfügt, erkannte Lirandil.
» Natürlich kenne ich Prinz Sandrilas«, sagte Lirandil. » Gut sogar, denn obgleich er ungefähr tausend Jahre älter ist als ich, gelten wir doch gewissermaßen als Altersgenossen und derselben Generation angehörig.«
» Ich verstehe«, sagte Brogandas. » Angesichts der wenigen Kinder, die Elbenfrauen zur Welt bringen, verwundert das nicht.«
In diesem Punkt unterschieden sich die Dunkelalben von ihren Verwandten. Die Zahl ihrer Kinder war größer. Aber dafür hatte im Laufe der Zeitalter ihre Langlebigkeit gelitten, und soweit Lirandil es möglich gewesen war, dies während seiner ausgedehnten
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