Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
murmelte einer der Admirale.
» Sie tragen das Zeichen«, stellte ein anderer fest.
» Das Zeichen der Aradis!«
» Er könnte es wirklich sein.«
Arvan blickte an sich herab, sah auf seine bloßen Füße, konnte aber nichts Ungewöhnliches daran feststellen. Es waren einfach seine Füße, an den Sohlen stark verhornt, da er immer barfuß gelaufen war, und dunkel vom Staub der Straße. Im Wald, wo der Boden zumeist von Moos bedeckt war, war es leichter, seine Füße sauber zu halten, als in einer Stadt wie Carabor. Das war Arvan schon aufgefallen, als sie die Stadt um den Hof des Waldkönigs betreten hatten.
Wovon sprechen die?, ging es ihm durch den Kopf. Nicht einmal Lirandil schien in diesem Punkt mehr zu wissen als er selbst. Zumindest machte auch er ein leicht irritiertes Gesicht, wobei sich Arvan selten wirklich sicher war, ob er die Züge des Elben richtig zu deuten vermochte.
Ein weißhaariger, offensichtlich schon ziemlich alter Mann trat vor. Auch er trug die Insignien eines caraboreanischen Handelsadmirals. Er sah sich Arvans Füße an. » Wahrhaftig, er ist es«, stellte er fest. » Der große Zeh und der daneben sind ein Stück zusammengewachsen. Dieses Zeichen trugen alle Männer der Familie Aradis– ein Zeichen des Glücks und der Gunst der Götter!«
» Ich bin unter Halblingen aufgewachsen«, sagte Arvan. » Ich muss gestehen, dass ich die Füße anderer Menschen noch nie zu Gesicht bekommen habe.«
Immerhin trugen die Söldner des Waldkönigs Stiefel. Darum hatte Arvan immer gedacht, dass sich seine Füße nicht von denen anderer Menschen unterschieden. Viel wichtiger war für ihn gewesen, dass diese Füße offenbar ein Grund dafür waren, dass er nicht so gut klettern konnte wie ein Halbling.
Der alte Mann musterte Arvan, der sich sichtlich unbehaglich fühlte. » Ich bin Dolgan Jharad und aufgrund meines Alters von nunmehr vierundneunzig Jahren der Ältermann des Admiralsrats. Und solange es mir die Götter vergönnen, an der Tafel des Admiralsrates zu stehen, werde ich diesen Posten auch behalten, der mich zum Stellvertreter des Hochadmirals macht.«
» Ihr müsst meinen Vater gekannt haben«, sagte Arvan.
» Gewiss habe ich das. Und ehrlich gesagt, fiel es mir damals schon schwer zu glauben, deine Eltern wären Verräter gewesen, die eine Übernahme der Stadt durch den König von Beiderland vorbereitet hätten.«
» Sie wurden ermordet!«
» Arvan!«, griff Lirandil laut ein und fügte dann in Gedanken hinzu: Willst du unsere letzte Hoffnung aufs Spiel setzen, du Narr?
Arvan aber achtete nicht auf die Mahnung des Elben. Vor ihm stand der Mörder seiner Familie, dem auch er beinahe zum Opfer gefallen wäre, hätte ihn nicht ein Halblingschreiber gerettet und in die Wälder am Langen See gebracht. Und er sollte diesen Mann nicht zur Rechenschaft ziehen können?
Die Wut drohte ihn erneut zu übermannen. Am liebsten hätte er Beschützer hervorgerissen und damit auf Terbon Sordis eingeschlagen, ohne Rücksicht darauf, was das für Lirandils schon so lange gesponnenes diplomatisches Netz bedeutet hätte.
» Wachen!«, rief Terbon Sordis in diesem Moment, und seine Stimme überschlug sich dabei. » Verhaftet diesen barfüßigen Barbaren– sofort!«
Die Wachen gehorchten dem Hochadmiral aufs Wort und richteten ihre Waffen gegen Arvan und seine Gefährten, Hellebarden, Speere und Schwertspitzen. Weitere Wachen eilten herbei und umzingelten sie.
Whuon riss sein Schwert hervor, denn er war keinesfalls gewillt, sich widerstandslos festnehmen zu lassen, und auch die Soldaten von Prinz Eandorn griffen zu ihren Waffen.
Doch dann verzog Terbon Sordis sein Gesicht zu einer Grimasse. Seine Augen traten hervor, sein Mund verzog sich. Er griff an den Gürtel, der das Übergewand mit dem aufgestickten Steuerrad zusammenhielt, und riss auf eigenartig ungelenke Weise den Zierdolch hervor, den er dort trug– eine Klinge von ungefähr einer Elle Länge.
Einen Augenblick nur glaubte Arvan, dass sich der Hochadmiral damit auf ihn stürzen wollte, um doch noch zu vollenden, was ihm vor Jahren nicht gelungen war, nämlich den Letzten aus dem Haus Aradis zu töten.
Doch stattdessen rammte sich der Hochadmiral die Klinge selbst in die Brust, stieß sie sich tief in den Körper und starb mit einem bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Gesicht, das nur noch einer irren Fratze glich. Schwer schlug sein lebloser Leib auf dem Boden auf.
Einen Moment lang rührte sich niemand. Arvan war starr vor Schrecken,
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