Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
Baumsaftes gefügig machen und wäre so freundlich, uns zu einem fernen Kontinent zu bringen.« Gomlo wandte sich an Neldo, Zalea und Borro. » Geht jetzt. Ihr habt so lange und ausdauernd an seinem Lager gewacht und darauf geachtet, dass Arvans Seele nicht doch noch entschwindet– jetzt lasst ihn schlafen.«
» Nein«, widersprach Arvan, » ich will nicht schlafen. Ich habe so viel geschlafen, dass es für Wochen reicht. Meine Freunde sollen bleiben. Es gibt sicher viel zu erzählen.«
Gomlo wechselte einen Blick mit Brongelle, und als diese nickte, gab auch der Baum-Meister seine Zustimmung. » Aber nicht zu lange.«
Auf einmal entstand draußen Aufruhr. » Ich glaube, da wird der Baum-Meister verlangt«, sagte Brongelle zu ihrem Mann.
» Ja, das wird in nächster Zeit sicherlich öfter der Fall sein«, murmelte Gomlo mit düsterer Miene.
» Helft mir«, verlangte Arvan, nachdem seine Zieheltern das Zimmer verlassen hatten. Er versuchte, sich aufzusetzen, und verzog dabei das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse. » Na los, worauf wartet ihr?«
Neldo und Zalea tauschten einen ratlosen Blick. Offenbar wollten sie nicht ausgerechnet im Haus des Baum-Meisters gegen dessen ausdrückliche Anweisung handeln.
Borro hatte in dieser Hinsicht weniger Skrupel. Er fasste kurz entschlossen zu, griff Arvan unter die Arme und half ihm hoch, bis dieser schließlich auf der Bettkante saß. Arvan wollte etwas sagen, bekam aber kaum Luft, und so öffnete er nur den Mund und keuchte. Offenbar hatte er immer noch Schmerzen.
» Ich…«, begann er schließlich und fuhr erst nach einer längeren Pause fort, während der ihn die anderen mit einer Mischung aus Erwartung und Entsetzen ansahen: » …bin… ja einiges gewohnt und… kann eine Menge einstecken.« Wieder folgte eine Pause. » Aber diesmal… ist es besonders schlimm…«
» Wir fühlen mit dir, Arvan«, sagte Zalea.
» Das könnt ihr nicht«, behauptete Arvan. » Ihr wisst nicht, wie es ist, das Unglück förmlich anzuziehen und immer wieder nur mit knapper Not dem Tod zu entgehen. Ihr habt keine Ahnung, wie schwer es sein kann, einen Baum emporzuklettern, ohne abzustürzen, und wie viel Zeit und Mühe es mich kostet, die verschnörkelten Zeichen eurer Schrift zu erlernen. Und ihr wisst auch nicht, wie es ist, wenn man entweder nur Mitleid oder Spott erntet.«
» Niemand wird dich mehr verspotten«, sagte Borro im Brustton der Überzeugung. » Nicht nach dem, was sich beim Herdenbaum ereignet hat. Du hast gegen die Orks gekämpft wie kaum ein Bewohner der Wälder am Langen See zuvor– auch wenn es vielleicht den Regeln der eleganten Fechtkunst, wie sie Meister Asrado lehrt, nicht immer entsprochen hat. Und glaub mir, das wird sich herumsprechen!«
» Borro«, rief Zalea und verdrehte die Augen, und Neldo stieß den geschwätzigen Halbling mit dem Ellbogen an.
» Es kommt mir nicht auf irgendwelchen Ruhm an«, sagte Arvan. » Ich weiß, dass ich zu nichts Großem bestimmt bin. Eigentlich wäre ich schon damit zufrieden, wenn mir kein verirrter Armbrustbolzen und auch keine unglücklich nach oben gerichtete Klinge in der Faust eines Erschlagenen in den Körper fährt.« Er ließ ein lautes Seufzen hören. » Oder verlange ich damit von den Waldgöttern zu viel Barmherzigkeit?«
» Ich glaube, Gomlo hatte eben recht«, meinte Zalea. » Er braucht wirklich dringend Ruhe.«
» Nein«, widersprach Arvan heftig. Dann glitt sein Blick von Neldo zu Zalea und schließlich zu Borro. » Was hat Lirandil gesagt? Warum ist er hier, und was haben all diese düsteren Andeutungen zu bedeuten? Ihr könnt mir nicht erzählen, dass er die ganze Zeit über geschwiegen hat.«
» Lirandil hat nichts Genaues gesagt«, antwortete Zalea. » Nur dass es Orks aus dem Ost-Orkreich sind, die uns so zu schaffen machen, und das übrigens im Moment auf breiter Front.«
» Aus dem Ost-Orkreich?«, fragte Arvan erstaunt.
» Ja«, bestätigte Zalea. » Und aus Orkheim. Dass einige der Orks angespitzte Zähne hatten, ist auch mir aufgefallen, und Lirandil meinte, diese Sitte gäbe es nur in Orkheim. Wie er die Orks des Ost-Orkreichs von denen des Westens unterscheidet, ist mir allerdings ein Rätsel; für mich sehen die alle gleich aus.«
» Nun, mich wundert das überhaupt nicht«, meinte Borro. » Er ist ein Elb. Und dazu noch ein sehr weit gereister. Wahrscheinlich erkennt er an einem Ork sogar den Geruch der Schlammgrube, in der er sich bevorzugt gesuhlt hat. Äh… ich meine, in
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