Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
von Figos Baum. Er hatte sich bei den letzten Wahlen zum Baum-Meister des Stammes immer wieder als Kandidat aufstellen lassen, aber gegen Gomlo stets den Kürzeren gezogen. Viele meinten, das liege an seiner unfreundlichen, groben Art. Er selbst nannte das » klare Worte sprechen«. Aber solche » klaren Worte« schienen nicht nach dem Geschmack der Mehrheit des Stammes zu sein. » Sollen wir sie vielleicht dem Hirndurst der Orks überlassen?«
» Wir werden die Herden nicht so bewachen können wie sonst«, entgegnete Gomlo. » Und wir können einen Herdenbaum auch nicht verteidigen wie einen Wohnbaum. Der Sieg, den unsere Krieger kürzlich beim Kampf um einen der Herdenbäume errungen haben, sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir Halblinge keine geübten Krieger sind. Wir können nur aus dem Hinterhalt zuschlagen, aber dann müssen wir uns sofort wieder ins dichte Unterholz oder ins hohe Geäst der Bäume zurückziehen. Auf diese Weise können wir die Feinde zermürben. Für eine andere Taktik haben wir gar nicht die Waffen und vor allem nicht die Krieger. Die Arme eines Halblings sind nicht stark genug, dass wir uns den Orks in einer offenen Schlacht stellen oder einen Ort über längere Zeit verteidigen könnten. Wenn wir einen Wohnbaum nicht gut genug tarnen können und er dann bedroht ist, werden wir ihn aufgeben müssen.«
Was Gomlo in aller Ruhe vortrug, war nichts anderes als die inzwischen schon uralte Verteidigungsstrategie der Halbling-Stämme am Langen See, von den Angehörigen dieses Volkes in jener Zeit entwickelt, als man die alte Lebensweise in und auf dem Boden aufgegeben hatte, um im Geäst der Riesenbäume zu siedeln. Dort war es einfach leichter, sich vor den immer wieder einfallenden Feinden zu verbergen.
Mansor unternahm einen letzten Versuch, seinen Nachfolger im Amt des Baumhüters zu diskreditieren. » Es redet sich leicht, Herdenbäume aufzugeben, wenn der eigene Herdenbaum soeben siegreich verteidigt wurde, und das von nahezu der gesamten Halblingstreitmacht unseres Stammes«, rief er mit schneidender Stimme. Er sah Gomlo direkt an, als er weitersprach. » Es ist doch Euer Herdenbaum, um den jüngst so hart gekämpft wurde, richtig?«
» Es wurde kein Herdenbaum verteidigt, sondern in Not Geratenen geholfen«, widersprach Gomlo. » Und es wundert mich, dass jemand, der so alt und erfahren ist wie Ihr, werter Mansor, nicht erkennt, dass meine Vorschläge nur unserer althergebrachten Vorgehensweise folgen.«
» Nun, es war nicht meine Absicht, Euch anzuklagen, Gomlo«, log Mansor. » Jeder mag sich seine eigene Meinung über das Geschehene bilden.«
Aber das hatten die meisten Anwesenden offenbar längst. Jedenfalls gab es keinerlei kritische Nachfrage zu diesem Punkt, nur noch zu organisatorischen Dingen.
Am Schluss erhob sich noch einmal Lirandil der Fährtensucher. » Wenn ihr schon einen Boten zum Waldkönig schickt, dann solltet ihr ebenfalls einen Gesandten zum Herzog von Pandanor entsenden, denn ihn werden wir ebenfalls als Bundesgenossen brauchen. Meine eigenen Verpflichtungen halten mich leider davon ab, in nächster Zeit Richtung Norden zu ziehen.«
» Ist der Herzog von Pandanor nicht ein Vasall des Waldkönigs und müsste ihm ohnehin Heeresfolge leisten?«, fragte Mansor.
Lirandil nickte. » Formal gesehen unterstehen die Herzöge von Rasal und Pandanor dem Waldkönig und gehören damit zu Harabans Reich. Aber faktisch sind sie seit Langem unabhängig und lassen sich von niemandem mehr etwas sagen. Ihre Titel und ihr gesamter Besitz unterliegen der Erbfolge, sie bestimmen über alle Angelegenheiten ihrer Länder selbst, und die letzten Tributzahlungen entrichteten sie vor drei oder vier Generationen. Wie ich schon erwähnte, traf ich den Herzog von Rasal auf Burg Eas, und er versprach mir, ebenfalls einen Boten nach Pandanor zu entsenden. Wenn zudem auch aus dem Halblingwald die drängende Bitte an den Herzog herangetragen wird, sich einem Bündnis gegen das Übel anzuschließen, könnte dies den Stein ins Rollen bringen.«
» Gut, wenn Ihr meint, dies könnte Aussicht auf Erfolg haben, dann wollen wir Eurem Rat folgen«, sagte Gomlo.
» Derdo vom Stamm des Rasenden Trelbo war einige Jahre Kanzler des Herzogs von Pandanor«, ergriff Werry der Zauderer das Wort. » Vielleicht sollte man ihn mit der Aufgabe betrauen, denn gewiss finden seine Worte am dortigen Hof besonderes Gehör.«
» Befindet sich Derdo zufällig unter uns?«, rief Gomlo. Er selbst
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