Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
seinen Ziehsohn Partei. » Lirandil, Grebu– der Junge hat es verdient, über seine Herkunft aufgeklärt zu werden.«
» Ich stehe ohnehin tief in seiner Schuld«, erklärte Lirandil mit sehr ernster Miene. » Er hat mir das Leben gerettet, als die Orks hinter mir her waren.«
» Nun dann«, sagte Arvan. » Wer fängt an?«
Es war Grebu, der als Erster zu sprechen begann. » Unwissenheit kann in manchen Situationen ein Schutz sein. Und genau aus diesem Grund habe ich dir gegenüber mein Schweigen so lange aufrechterhalten. Aber nun ist der Zeitpunkt gekommen, es zu brechen. Du fragst nach meinem Sohn Dargu? Ja, es ist wahr, er brachte dich einst aus Carabor hierher, in den Halblingwald. Er war in der großen Hafenstadt der Schreiber und Vertraute von Kemron Aradis, dem seinerzeit gewählten Hochadmiral im Admiralsrat von Carabor, der diese Stadt bekanntermaßen regiert.«
» War dieser Kemron Aradis…« Arvan stockte. » …mein Vater?«
Grebu nickte » Ja. Er war dein Vater. Und deine Mutter war Kemrons Gemahlin Tel’a Aradis. Es war ihr Wille, dass mein Sohn Dargu dich hierherbringt, sollten die Umstände dies erfordern.«
Arvan runzelte die Stirn. Der schwarzbärtige Mann und die Frau tauchten wieder vor seinem inneren Auge auf. Kemron und Tel’a Aradis, zwei hochgestellte Persönlichkeiten aus Carabor. Das erklärte so manches. Aber noch längst nicht alles.
» Damals tobten schlimme Machtkämpfe unter den Admiralsfamilien in Carabor. Intrigen der schlimmsten Art wurden gesponnen, und manche schreckten nicht einmal vor Meuchelmord zurück. Terbon Sordis, der Herr eines anderen Handelshauses, das seit Langem mit dem der Aradis’ rivalisierte, ließ deine Eltern umbringen und sich dann selbst zum Hochadmiral wählen, was ihm nur mittels übler Machenschaften gelang. Die Mitglieder des Hauses Aradis wurden verfolgt, und Dargu gelang es gerade noch, mit dir zu entkommen. Du bist wahrscheinlich der letzte Spross der Familie, der überlebt hat. Terbon Sordis erweckte den Eindruck, deine Eltern wären Hochverräter und hätten eine Übergabe der Stadt an die Truppen des Königs von Beiderland vorbereitet, was natürlich eine Lüge war.«
» Deshalb kam Dargu also mit mir hierher«, murmelte Arvan. Er versuchte, die Flut an Gedanken, die ihn auf einmal überschwemmte, irgendwie zu ordnen. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, dann wandte er sich an Lirandil. » Aber irgendwann war ich auch im Fernen Elbenreich«, stellte er fest. » Wieso wurde ich an diesen Brass Elimbor übergeben? Und was war das für ein Ritual, das er an mir durchführte?«
» Alles hängt miteinander zusammen«, sagte Lirandil. » Dein Vater handelte mit der Magischen Essenz des Baumsaftes, die nur die Halblinge zubereiten können. Niemandem ist es je gelungen, sie in gleicher Qualität herzustellen, nicht einmal den Elben.«
» Das lässt so manchen Halbling mit stolzgeschwellter Brust herumlaufen«, warf Gomlo ein.
Grebu ergriff wieder das Wort. » Kemron Aradis ließ seine Schiffe den Fjord nordwärts segeln und gelangte dann über den Fluss in den Langen See. Den Handel mit den Halblinge betrieb das Haus Aradis schon seit Generationen, und mit einem dieser Schiffe bin ich einst nach Carabor gereist. Die Geschichten, die die Seeleute über die große Stadt erzählten, waren einfach zu verlockend, sodass ich der Versuchung nicht widerstehen konnte.«
» Dein Vater belieferte wohl in erster Linie das Elbenreich mit diesem wertvollen Saft«, fuhr Lirandil fort. » Und er ließ sich in Gold und Silber bezahlen. In meiner Heimat dachte man eine Weile, mit dieser Essenz ließe sich die immer weiter fortschreitende Schwächung der Elbenmagie aufhalten. Unsere Magier experimentierten damit und brauchten daher große Mengen davon. Und da nur Kemran Aradis in der Lage war, genug davon zu beschaffen, konnte er einen ganz besonderen Preis fordern.«
» Einen Preis, der etwas mit mir zu tun hatte?«, fragte Arvan, und er sah wieder das uralte Gesicht von Brass Elimbor vor sich, hatte das Gefühl, dass dessen Augen, die schon so viele Zeitalter gesehen hatten, geradewegs auf ihn gerichtet waren. Arvan erschrak regelrecht. Die Erinnerung war dermaßen intensiv, dass er beinahe glaubte, der elbische Schamane stünde direkt vor ihm. Für einen Moment schloss Arvan die Augen. Er war sich nicht sicher, ob er diese Gedanken und Erinnerungen zulassen oder sie lieber unterdrücken sollte, denn aus irgendeinem Grund ängstigten sie
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