Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
noch stärkerer Gedanke erreichte den jungen Mann– so stark, dass es schon beinahe schmerzte. Eine geistige Kraftprobe mit einem Elben kann ich niemals bestehen, dachte er. Und das weiß er. Aber wenn all sein Gerede von hohen Idealen mehr ist als nur Elbengeschwätz, wird er nicht zu diesem Mittel greifen.
» Ihr braucht Hilfe, werter Lirandil«, mischte sich nun Neldo ein. » Und wir sind bereit, Euch auf Eurer gefahrvollen Reise zur Seite zu stehen.«
Zalea nickte zu seinen Worten. » Wir werden Euch nicht enttäuschen und Euch ganz bestimmt nicht zur Last fallen«, versprach sie. » Ganz im Gegenteil. Halblinge können viele Dinge, die Elben sehr schwerfallen. Insbesondere alles, was schnell zu geschehen hat, da wir…«
Eine Handbewegung Lirandils brachte sie zum Schweigen. » Euer Angebot ehrt mich«, sagte er. » Und ihr könnt stolz auf euren Mut sein. Aber ihr könnt mich dennoch nicht begleiten.«
» Ich habe bisher keinen Grund gehört, warum wir das nicht könnten«, entgegnete Arvan.
» Der Grund ist ganz einfach. Es wäre zu gefährlich. Je weiter meine Reise führt, je länger sie andauert, desto bedrohlicher wird sie sein. Ghool persönlich wird seine Pfeile auf mich abschießen. Sie werden in Gestalt von Dämonenwesen oder gewöhnlichen Meuchelmördern, als Orks oder geflügelte Ungeheuer meiner Spur folgen. Und mit jedem Tag, der vergeht, wird es gefahrvoller sein, sich in meiner Nähe aufzuhalten.«
» Das nehmen wir gern in Kauf«, sagte Arvan. » Schließlich wart Ihr es, der uns allen vor Augen geführt hat, welches Unheil uns droht und wie wichtig es ist, dagegen etwas zu unternehmen.«
» Du hast einige Orks erschlagen, Arvan«, sagte Lirandil, » und ich bin den Namenlosen Elbengöttern dankbar dafür, dass du mit ein paar Halblingen gerade im rechten Augenblick zur Stelle warst, als ich in höchste Not geriet…«
» Die Orks hätten Euch abgeschlachtet wie ein Baumschaf«, unterbrach Arvan den Elben.
» Da hast du recht. Und doch hast du keinen Begriff davon, welche Gefahren dich erwarten, wenn du mir folgst.«
» Bleib hier, Arvan«, mischte sich Brongelle ein. » Lirandil weiß, was er tut. Er hat unter Orks und Ogern gelebt und hat Erfahrung genug, um die Risiken abschätzen zu können.«
» Umso weniger Sorgen brauchst du dir um mich zu machen, Mutter«, entgegnete Arvan. » Gewiss werden meine Freunde und ich von Lirandils Erfahrung profitieren.«
Brongelle war mit Arvans Plänen offenbar noch weniger einverstanden als Lirandil. Sie stemmte die Hände in die Hüften und wandte sich an Neldo und Zalea. » Und was ist mit euch? Habt ihr euren Eltern überhaupt gesagt, was ihr vorhabt?«
» Es ist unser fester Entschluss«, sagte Neldo.
» Sie werden uns nicht umstimmen können«, ergänzte Zalea.
» Zufällig weiß ich, dass deine Eltern gestern Abend noch zum Nachbarwohnbaum aufgebrochen sind, weil dort der Heiler erkrankt ist«, sagte Gomlo zu Zalea. » Sie können also nichts von deinem Vorhaben wissen.« Dann sah er Neldo an und fuhr fort: » Und es würde mich sehr wundern, wenn deine Familie damit einverstanden wäre. Wahrscheinlich weiß auch sie nichts von euren Plänen.«
» Aber wenn wir hierbleiben und das Herannahen des Unheils abwarten, sind wir ebenso in Gefahr«, sagte Neldo trotzig. » Nimmt Lirandil uns aber mit, wären wir ihm eine Hilfe und könnten etwas gegen die Bedrohung tun. Das ist besser, als einfach nur abzuwarten.«
Brongelle wandte sich zu ihrem Mann und forderte: » Gomlo, sag etwas! Wir können unseren Sohn nicht einfach ziehen lassen!« Sie sah den Elben an. » Und was ist mit Euch, Lirandil? Ihr werdet doch hoffentlich bei Eurer Haltung bleiben und diese nutzlose Hilfe ablehnen.«
Doch sowohl der Halbling als auch der Elb schwiegen zunächst.
» Wir können Arvan nicht ewig an uns ketten, Brongelle«, sagte Gomlo schließlich. » Eines Tages muss jeder seinen Weg beschreiten, und dass Arvan uns irgendwann verlassen würde, um seine Herkunft zu erkunden und seinen eigenen Platz im Leben zu finden, haben wir in dem Moment gewusst, als er in unser Haus kam.«
» Aber…«
» Auch Brado der Flüchter musste erst eine weite Reise unternehmen, um zu erkennen, wo er hingehört, Brongelle«, ergriff nun auch der alte Grebu das Wort.
Gomlo nickte und wandte sich dem Elben zu. » Es ist Eure Entscheidung, Lirandil.«
Der richtete den Blick auf Arvan.
Einige Augenblicke sagte niemand ein Wort.
Dein Wille ist so stark wie die Kraft deiner
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