Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
sie auf die Wange.
Während Hannah mit einer Hand Alexanders Köpfchen streichelte, fragte sie sich, wie es jetzt weitergehen sollte. Sie würde sich die Wohnung alleine nicht mehr leisten können.
“Mach dir darüber keine Sorgen”, beruhigte Joey sie. Wir haben bei uns oben noch zwei große Dachkammern. Das waren früher mal die Kammern für Bedienstete. Darin kannst du wohnen. Bis du aus dem Krankenhaus raus bist, haben wir dort oben Ordnung geschaffen.Und wenn du wieder voll fit bist, kannst du wieder im Restaurant arbeiten.”
“Aber unsere … meine Wohnung muss doch noch gekündigt werden.”
“Du, wir sprechen mit dem Vermieter. Der wird, wenn er von den tragischen Umständen erfahrt, nicht an einer vertraglichen Kündigungsfrist festhalten. Wohnungssuchende Studenten stehen Schlange. Er wird keinen Ausfall haben.”
“Ich bin so froh, dass ich euch habe.”
“Gib uns die Schlüssel, damit wir deine persönlichen Sachen in dein neues Zuhause umräumen können. Natürlich nur, wenn es dir nichts ausmacht. Wir meinen, es wäre besser, wenn du nicht mehr dorthin zurück müsstest.”
“Ihr habt Recht. Ihr seid so lieb.”
Begleitet vom typischen Neugeborenengrunzen begann der Kleine in ihren Armen die Stirn kraus zu ziehen und die Nase zu rümpfen. Hannah lächelte. “Na, gefällt dir der Vorschlag nicht?”, fragte sie scherzhaft.
Joey schaute auf die Uhr. “Oh, wir sollten gehen. Thomas muss noch Vorbereitungen treffen. Das Restaurant öffnet bald.”
Hannah händigte Joey noch den Schlüssel ihrer Wohnung aus und beide verabschiedeten sich von ihr. An der Tür drehte sich Joey nochmals um und fragte zu Hannahgerichtet: “Sollen wir deine Tante und Onkel noch unterrichten?”
Hannah schüttelte den Kopf. “Nein”, sagte sie, “noch nicht. Die sind ja kaum richtig in Auckland angekommen. Tante Sophia würde vor Gram keine Ruhe mehr finden.”
Als sie alleine war, betrachtete sie ihren Sohn eingehend. Sie wollte sich sein Gesicht für immer einprägen. “Alexander”, flüsterte sie, “mein Sohn Alexander.”
Hannah genas zusehends. Sie verfiel zwar immer wieder ins Grübeln, weinte dabei auch, doch kannte sie immer mehr schöne Momente, vor allem mit ihrem kleinen Sohn. Der Psychologe half ihr sehr bei der Trauerbewältigung. Er gab ihr Halt, baute sie immer wieder auf, gab ihr Kraft. Die Besuche von Joey waren schöne Lichtblicke im Krankenhausalltag.
Einmal noch hatte sie ein bedrückendes Erlebnis, das sie für einen Moment in ein schwarzes Loch stürzte. Sie erhielt Besuch von Antonia. Antonia hatte ja auch den Tod ihres Freundes zu beklagen. Die beiden Freundinnen umarmten sich und weinten zusammen. Als Antonia den kleinen Alexander in den Armen hielt und ihn liebevoll betrachtete, sagte sie: “Du hast wenigstens noch etwas von Alexander. Ich habe nichts mehr von Claus. Er verschwand aus meinem Leben, ließ mich alleine mit meinen Erinnerungen zurück.”
Das war das letzte Mal, dass sie Antonia sah oder sprach. Wahrscheinlich wollte Antonia die Vergangenheit und alle, die Teil davon waren, vergessen. Erst als Hannah wieder alleine war, wurde ihr die Bedeutung von Antonias Äußerung erst richtig bewusst. Alexander lebte in ihrem Sohn weiter. Diese Erkenntnis empfand sie als Trost.
Ende Juli war Hannah psychisch so stabil, dass sie aus der Klinik entlassen werden konnte. Joey holte sie ab und brachte sie direkt in ihr neues Zuhause. Hannah war überwältigt, was Joey und Thomas aus den beiden Dachkammern zauberten. Ein Zimmer war als Wohnzimmer mit einer kleinen Kochnische eingerichtet. Die Möbel waren nicht neu, dennoch sehr geschmackvoll. Das Wohnzimmer erhielt mit dem warmen Rot der Polster und der Regale und Kästen aus Kirschholz ein heimeliges Flair. Auf dem Couchtisch stand ein herrlich bunter Blumenstrauß. Das andere Zimmer, in das man vom Wohnzimmer aus gelangte, diente als Schlafzimmer. Es schien, als hätten sie diesen Durchbruch zum zweiten Zimmer erst jetzt gemacht. Die Tür zum Flur wurde von einem großen Schrank verstellt. Von der hinteren Wand ragte ein Bett in den Raum hinein, neben dem Bett stand die Wiege für den Kleinen. An der gegenüberliegenden Wand stand der Wickeltisch mit Schubkästen und Fächern. Alles fürs Baby hatten Tante Sophia und Onkel Robert vor ihrer Abreise liebevollausgesucht. Beide Dachfenster der Räume erhielten Jalousien. Die Zimmer waren ungewöhnlich groß. Der Grund lag daran, so erklärte ihr Joey, dass früher einmal zwei
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