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Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin

Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin

Titel: Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Heinzelmann
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lernen.” Als es raus war, ärgerte sie sich selbst über ihren hysterischen aber auch abwertenden Ton, den sie anschlug. Sie war eine Erwachsene und er ein Kind. Sie durfte sich von einem Kind nicht so aus der Fassung bringen lassen. In ruhigerem Ton fügte sie schließlich fragend hinzu: “Warum findest du den Text nicht besonders? Könntest du mir das ‘nicht besonders’ bitte näher definieren”, und sie stellte erstaunt fest, dass sie mit diesem Jungen in ihrer Wortwahl wie mit einem Erwachsenen sprach.
    “Er … er …”, begann er stockend.
    “Er …?”, hakte Frau Bucher nach.
    “Er ist primitiv”, erklärte er kleinlaut, “so spricht kein Mensch. Und er ist unlogisch.”
    “Primitiv also? Nicht logisch? Was ist deiner Meinung nach an dieser Geschichte ‘unlogisch’?”
    “Nun, ich frage mich, warum am Ende des Textes eine Erklärung, dass Lisa und Tom Geschwister sind, stehen muss? Wir wissen doch, dass es sich um ihrer beider Tante handelt, die sie besuchen.”
    “Und?”, wollte Frau Bucher ungeduldig wissen, “was ist deine Logik?” Eigentlich hatte sie längst verstanden, was der Junge meinte, aber sie wollte ihn herausfordern, vielleicht deswegen, weil sie diese sachliche Feststellung von einem Kind imponierte und sie jetzt natürlich ziemlich neugierig auf Erklärungen war.
    “Na ja, diese Erklärung braucht es nicht, genauso wenig, wie man erklären muss, dass der Kreis rund ist.”
    Frau Bucher war überwältigt. Der Junge hatte eigentlich mit seinen Worten, weil sein Wortschatz diese Bezeichnung wohl noch nicht kannte, von Pleonasmus gesprochen.
    “Dann komm doch bitte vor an die Tafel und schreibe den Satz so hin, wie er dir als nicht primitiv und logisch gefallen würde”, forderte sie ihn auf.
    Alexander ging an die Tafel. Unter dem vorgegebenen Text
    «Lisa und Tim freuen sich. Morgen dürfen sie ihre Tante Anna besuchen. Tante Anna wohnt auf dem Lande. Lisa und Tim sind Geschwister und wohnen in der Stadt. Ein Besuch auf dem Lande ist für Lisa und Tim immer aufregend»
    schrieb er seine Version.
    «Lisa und Tim sind freudig erregt, denn morgen dürfen sie Tante Anna auf dem Lande besuchen. Für die beiden Geschwister, die nur das Stadtleben kannten, ist der Besuch auf dem Lande immer eine aufregende Sache.»
    Frau Bucher schluckte. Das, was Alexander aus dem vorgegebenen Text so eben mal aus dem Stegreif ausarbeitete, mutete an wie der Beginn eines Aufsatzes, aber nicht dem eines Erstklässlers, sondern mindestens eines Kindes der dritten Klasse, wenn nicht noch weiter oben. “Du kannst dich wieder setzen, Alexander”, sagte sie, unter dem Eindruck ihrer Verblüffung, mit gedämpfter Stimme. Mit der Bewertung “ein guter Vorschlag, danke”, wollte sie ihren Ausraster von vorhin wieder wettmachen und gleichzeitig auch demonstrieren, dass sie über solchen Zwischenfällen stand.
    *
    Im Kollegium regte sie an, dass man den Jungen aus ihrer Klasse herausnehme und in der zweiten Klasse platziere. “Der Junge muss gefordert werden”, meinte sie, “ich gehe sogar davon aus, dass er wahrscheinlichnicht lange in der zweiten Klasse verbleiben würde, um schließlich bald einmal in die dritte zu wechseln.
    Am nächsten Tag wurde Alexanders Mutter in die Schule gebeten und darüber unterrichtet, dass Alexander in der ersten Klasse total unterfordert sei und man eine Versetzung in die nächste Klasse anvisiere. Ja, das hatte sie schon erwartet. Im Prinzip war Alexander erst eine Woche in der Schule, bevor er krank wurde und sie war damals schon gespannt, wann es wohl zum ersten Zwischenfall kommen würde.
    “Tja, dann werden wir Alexander wohl auf diese neue Situation vorbereiten müssen”, sagte sie und gemeinsam gingen sie vor die Tür wo Alexander auf der Bank wartete.
    Dieser nahm die Nachricht ziemlich gelassen auf, doch wollte er wissen, ob seine Freundin Tatjana mit ihm zusammen die Klasse wechseln dürfe. Er war enttäuscht, als er erfuhr, dass das nicht möglich war. Er betrat mit dem Schulrektor die Klasse 2a und wurde als neuer Mitschüler vorgestellt. Er wurde neben Christoph, den Klassenbesten, gesetzt.
    Als Hannah mit dem Rektor den langen Flur zurücklief, schmunzelte er und meinte ironisch: “So, nun bin ich gespannt, wie lange der Junge es hier aushält. Wahrscheinlich überfliegt er alle vier Klassen in einem Jahr und tummelt sich nächstes Jahr schon als Sextaner auf dem Gymnasium.” Hannah lächelte und pflichtete ihmbei: “Ja, wer weiß. Bei Alexander

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