Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
vor dem Vermummten keine Angst. Er sah es in den Augen, die aus denSchlitzen der Sturmmütze blickten, dass dieser nicht von der brutalen Sorte war.
“Lasst ihr mich wieder frei?”, fragte Alexander.
“Ich hab’ dir doch gesagt, dass dir nichts geschieht, wenn deine Mama tut, was wir von ihr verlangen. So einfach ist das.”
“Wo bin ich. Sind wir hier in Garching?”
“Sag mal, hältst du mich eigentlich für blöd? Ich sag dir doch nicht, wo wir sind?”, protestierte er fast ein wenig eingeschnappt über die Vorstellung, der Kleine könnte sich ihm gegenüber überlegen fühlen.
“Kann ich nicht mal raus ans Tageslicht? Hier ist es so dunkel. Ich brauche mal Licht und frische Luft”, ließ Alexander nicht nach.
“Kleiner, ich kann es nicht leiden, wenn du meinst, mich verarschen zu müssen. Außerdem kommt hier genug Luft herein. Was meinst du, warum ich hier bei dir hocke und rumquatsche?”
“Ich verarsche dich doch nicht. Ich will einfach nur ans Licht, vielleicht bloß mal in einen anderen helleren Raum. Wenn wir nicht in Garching sind oder in einem Haus, das ich kenne, brauchst du doch nicht zu befürchten, dass ich wissen könnte, wo wir sind.”
“Hm”, sagte der Typ, der fand, dass das eigentlich nicht gefährlich sei, “du hast recht.” Doch im nächsten Moment besann er sich eines besseren: “Nein, das geht nicht, nicht bevor ich mit dem Boss gesprochen habe.”
“Musst du bei allem, was du tust den Boss fragen?”, hakte Alexander nach, “ist der denn älter und gescheiter als du?”
“Er ist mein älterer Bruder”, sagte der Typ und ärgerte sich im nächsten Moment darüber, dass er ihm zu viel erzählte. Der Junge sollte möglichst wenig von ihnen wissen.
“Ich hätte auch gerne einen großen Bruder. Muss schön sein, einen Bruder zu haben”, lenkte Alexander mit einem Seufzer ab. Er wollte den Gesprächspartner mit kleinen Plaudereien bei Laune halten. Er wollte auch, dass der bei ihm blieb, weil er in dem Kellerloch nicht alleine sein wollte.
“Das ist nicht immer so toll, wie Einzelkinder sich das vorstellen. Man muss sich oft zur Wehr setzen, besonders, wenn der ältere Bruder so brutal stark ist, wie meiner.”
Plötzlich stand der andere in der Tür. Er trug wie der erste eine Sturmhaube. Er war einiges größer und breiter. Ein richtiger Koloss im Vergleich zu seinem jüngeren Bruder.
“Sag mal, wo bleibst du so lange? Macht ihr ne Party da unten?”, schrie er böse.
“Nein Mic… ähm …”, er stotterte, beinahe hätte er den Namen verraten, “aber ich muss doch Luft in das Kellerloch reinlassen. Sonst erstickt der uns doch.”
“Und dafür hockst du eine Ewigkeit da unten. Der hat genug Luft.”
Alexander traute sich nicht, etwas zu sagen. Mit dem Bruder war nicht gut Kirschen essen, das hatte er gleich nach den ersten paar Sekunden gewusst. Er kauerte sich zusammen, als wolle er sich möglichst klein machen.
“Komm hoch, wir müssen unseren Plan nochmals durchgehen. Alles muss sitzen. Es darf kein Fehler passieren!”, sagte der Große zu seinem Bruder und ging schon voraus.
“Also Tschüss Kleiner, bist eigentlich ziemlich in Ordnung”, sagte der Jüngere ziemlich leise, dass es sein Bruder nicht hören konnte, und wandte sich zum Gehen. Es ratschte, als die Kellertür wieder verschlossen wurde, und dann war es wieder still.
Alexander kauerte auf seinem Bett und stierte vor sich auf den Boden. Er hatte Angst, nicht wegen des jüngeren Entführers, denn der war nett. Doch der große, der war böse und unbeherrscht, und dem, so schien es, war alles zuzutrauen.
*
Hannah war nervös. Es war schon Nachmittag kurz vor vier. Das Geld stand in einem Rucksack bereit und sie warteten ungeduldig auf den Anruf mit den nächsten Anweisungen. Ein Streifenwagen fuhr einstweilen die Gegend um Hackermoos ab, ob sich irgendetwas Verdächtiges zeigte. Eben erhielt der Beamte in HannahsHaus Mitteilung, dass nichts Auffälliges zu entdecken war. “Bleibt trotzdem Vorort”, erhielten sie die Anweisung.
Endlich um halb sieben meldete sich der Entführer. Mit der bekannten verzerrten Stimme gab er seine Anweisungen: “Haben Sie das Geld?”
“Ja”
“Für die Übergabe brauchen Sie ein Handy, eine Taschenlampe und Geld, mindestens so viel, als würden Sie einkaufen gehen. Fahren Sie bis zur U-Bahnstation Dietlindenstraße, Ankunft 21.30 Uhr, nicht früher”, und nach einer Sekunde der Überlegung, “Sie wissen: keine Polizei, wenn Sie Ihren Sohn
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