Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
steht vor mir eine wunderschöne, atemberaubende Frau”, begrüßte Alexander Tatjana galant, die ihrerseits leicht errötete. Man merkte, dass Alexander in Kreisen der guten Schule verkehrte, als er Tatjanas schmale Hand ergriff, sich verbeugte und einen Handkuss darauf hauchte. Für einen Sechzehnjährigen war das eine ungewöhnliche Geste.
“Du bringst mich in Verlegenheit, Charmeur der guten Schule”, lachte sie und fügte dann ihre herzlichen Geburtstagswünsche an.
Er führte sie zum Taxi, das auf der Straße wartete und gemeinsam fuhren sie nach München.
Auf der Fahrt sprachen sie nicht viel miteinander. Alexander ärgerte sich über sich selbst, dass er neben dieser wunderschönen Frau seine Gedanken nicht im Hier und Jetzt festhalten konnte. Immer wieder schweifte er ab, war weit weg und merkte es immer erst, wenn er durch Tatjanas Stimme zurückgeholt wurde. Tatjana, die treue Freundin, hatte es nicht verdient, dass er in solcheneigentlich romantischen Momenten nicht bei ihr war. Wie mancher junge Mann würde sich geehrt fühlen, neben dieser schönen jungen aufgehenden Blüte sitzen zu dürfen und jeder andere hätte jede Minute voll ausgekostet. Er bemühte sich, doch schien es, dass dieser Tag nicht sein Tag war.
Da saßen sie nun im Konzertsaal nebeneinander und Tatjana merkte, dass Alexander weit von ihr entfernt war. Er schien entrückt. Wie seltsam ihr Freund zuweilen doch war. Schon damals als Kind, als er neben ihr die Schulbank drückte, fand sie ihn seltsam. Doch schien es gerade diese Andersartigkeit gewesen zu sein, von der sie sich damals schon angezogen fühlte. Sie mochte ihren Schulfreund. Ebenso mochte Alexander sie. Doch heute fand sie, dass es eine seltsame Art war, so seinen Geburtstag zu feiern. Normalerweise feierten junge Leute ihren Geburtstag tanzend und lachend mit Freunden.
Nach dem Konzert saßen sie noch eine Weile zusammen und tranken Kaffee und unterhielten sich. Doch Tatjana merkte, dass es Alexander heute nicht um Plaudern war. Er zog es vor, zuzuhören und das war ihr zu einseitig. Wenn ich ihn doch nur aus seiner düsteren Welt herausholen könnte’, dachte sie traurig, denn offensichtlich war er abwesend, wie in einer anderen Welt. Sie spürte, dass dies wieder einer der Momente war, in denen ein Versuch ihn aufzuheitern sinnlos war.Es waren die Tage an denen niemand ihn erreichen konnte, auch sie nicht. Es war einfach so, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als sein Empfinden zu akzeptieren.
Alexander brachte Tatjana nach Hause und danach sah sie ihn lange Zeit nicht mehr, außer hin und wieder im Fernsehen oder bei öffentlichen Anlässen.
*
Im September, als Alexander für alltägliche Dinge gerade wieder einmal ansprechbar war, eröffnete Hannah ihm, dass sie ein Baby erwartete. Sie hatte sich ein weiteres Kind mit Armin so sehr gewünscht, machte dieses Vorhaben aber davon abhängig, dass es vor ihrem 40sten Geburtstag klappen müsse. Danach erklärte sie, würde ihr der Mut fehlen. Alexander nahm die Nachricht über die anstehenden familiären Veränderungen mit großer Freude auf. Ein neues Familienmitglied, das ist etwas wirklich Erfreuliches. “Wann soll dass Baby kommen?”, zeigte er sein Interesse an seinem Geschwisterchen.
“Nächstes Jahr im März”, erfuhr er und begann zu komponieren - eine Kinderweise für sein Geschwisterchen.
Tante Sophia und Onkel Robert nahmen die Nachricht mit herzlicher Freude auf. “Das ist ja wunderbar”, rief Tante Sophia, “unsere Hannah bekommt nochmalsNachwuchs. Dann haben wir ja drei Enkelkinder. Vielleicht wird es dieses Mal ein Mädchen. Ach du müsstest die Kleine von Geraldine mal sehen. Die ist mit ihren blonden Locken eine richtige kleine Zuckerpuppe. Sie läuft jetzt und hält ihre Mama ganz schön auf Trapp. Jessica ist für ihr Alter schon ziemlich groß.”, schwärmte Tante Sophia in ihrer typisch überschwänglichen Art, ohne zwischendurch Luft zu holen, um schließlich enttäuscht hinzuzufügen, wie schade sie es fand, dass sie alle so weit auseinanderwohnten. “Weißt du Schatz, es macht mich schon ein bisschen traurig. Ich wäre gerne mehr für dich und Alexander dagewesen.”
“Ach Tante Sophia. Haben wir nicht schon längst gelernt, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie nun mal sind? Wege führen zusammen und auch wieder auseinander. Doch jeder Schritt, den wir gemeinsam in Liebe, in Freundschaft und mit Fürsorge getan haben, war es wert. Es waren kostbare Momente, Momente als
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