Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
einem Team und Freundschaft gibt sich keiner selbst auf. Jeder bleibt sich selbst, im Respekt für den anderen.” Es war so wunderbar, so treffend, wenn Nathan sprach und wohl leuchtete Alexander das Gesagte ein, doch fragte er sich, wie er es schaffen sollte, wenn es ihn überfiel, also wenn er gefühlsmäßig abstürzte, wieder herauszukommen.
Fast übergangslos stürzte sich Alexander von der Trauer in seine Arbeit und seine Schaffenskraft war nicht mehr zu bremsen.
*
Als der April mit seinen ersten wärmenden Sonnenstrahlen die Herzen der Menschen erreichte und ihnen ein Lächeln in ihre Gesichter zauberte, zog es auchAlexander hinaus. Mit Sonnenbrille, er wollte nicht erkannt werden, saß er in einem Straßencafé, trank einen Milchshake und beobachtete das muntere Treiben seiner geliebten Stadt.
“Na, wenn das nicht Alexander ist, der hier unscheinbar rumsitzt und hofft, nicht erkannt zu werden”, drang eine fröhliche Stimme an sein Ohr.
Er schaute in die Richtung, von der die Stimme kam und mit ebenso großer Freude erkannte er die junge Dame: “Ich fass es nicht. Tatjana!” Er stand auf, um die mittlerweile zum jungen hübschen Teenager herangewachsene Freundin aus Kindertagen mit Küsschen auf die Wangen zu begrüßen.
“Komm, setz dich zu mir und erzähl mir von dir”, lud er sie ein und winkte gleichzeitig der Kellnerin, die von Tatjana eine Bestellung für eine Apfelschorle aufnahm.
“Och Alexander. Bei mir gibt’s nicht viel zu erzählen. Ich komme dieses Jahr in die Untersekunda und brauch’ noch vier Jahre bis zum Abi”, erklärte sie und fügte lächelnd hinzu, “ich hab’s aufgegeben, dich einholen zu wollen. Du verdienst schon die große Kohle, während sich deine Klassenkameraden immer noch auf der Schule abstrampeln müssen.”
Alexander lächelte. Es war eines der wenigen Lächeln, mit denen er insbesondere liebgewordene Leute bedachte. Er meinte daraufhin fast ein bisschen belehrend:“Es ist gut so, Tatjana, glaube mir. Genieße die Zeit. Sie ist schön.”
“Ja, großer Meister, vor allen Dingen jetzt, während der Frühlingsferien”, kommentierte sie das Gesagte mit der, wie sie fand, logischen Ergänzung.
“Na, was ist das für eine Einstellung? Kein Wunder hatte es mit dem Aufholen nicht klappen können”, amüsierte sich Alexander. Sie lachten beide. Er wirkte für diesen Moment unbeschwert.
“Aber sag, Alexander, was gibt es bei dir Interessantes zu berichten? Steht demnächst wieder eine große Reise an?”, fragte Tatjana neugierig.
“Nein, gottlob nicht”, antwortete er ehrlich.
“Wieso gottlob? Gibt es etwas Schöneres als auf Reisen zu sein und die Welt kennenzulernen?”, fragte sie sehnsüchtig, und täuschte Fernweh vor.
“Ja, zu Hause zu sein. Bei strahlendem Sonnenschein in München ungestört in einem Straßencafé zu sitzen und … “, er grinste, “… nicht erkannt zu werden …”
Die Strafe folgte auf den Fuß, denn Tatjana puffte ihn in die Seite, was er mit “ich bin doch noch gar nicht fertig; … es sei denn eine liebe Freundin gesellt sich zu einem und verwickelt einen in angenehme Plaudereien” quittierte er den Seitenhieb.
“Charmeur”, lachte sie.
Sie saßen noch lange und plauderten und lachten miteinander. Wie lange war es her, dass er sich so ausgelassengab, und er genoss es sichtlich. Erst gegen sechs Uhr verabschiedete Alexander sich von Tatjana und er gab seiner Hoffnung Ausdruck, seine Freundin hoffentlich bald wiedersehen zu dürfen. Während Tatjana in München blieb, um eine Freundin zu treffen, ging er zur U-Bahn-Station.
Angesichts der Hochstimmung in der er sich gerade befand, dachte er, dass er wieder einmal bei Joey und Thomy vorbeischauen könnte. Die beiden freuten sich schließlich immer über seinen Besuch.
“Mensch Alexander”, wurde er von Joey freudig begrüßt und herzlich umarmt, “schön dass du vorbeikommst. Es ist so still hier geworden. Früher, als ihr noch hier wohntet, warst du so oft bei uns hier im Restaurant, hast Klavier gespielt, hast mit uns geschäkert oder saßest bei Nathan, um ernsthafte Diskussionen zu führen, was bei Nathan natürlich für alle, die sich mit ihm unterhielten, eine fesselnde Angelegenheit war. Ja, auch Nathan fehlt uns sehr. Sein Platz da hinten in der Ecke ist oft leer.” Bei der Erwähnung von Nathans Namen verdüsterte sich Alexanders Gesicht für einen Moment.
“Nathan”, sagte er wie geistesabwesend, “ja er fehlt mir sehr. Es ist, als wäre mir
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