Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
Teil einer Ganzheit und ich bin dankbar, dass es diese Augenblicke für mich gab.”
“Meine liebe Hannah. Du bist ein wunderbarer Mensch und … “, weiter kam sie nicht, denn Hannah unterbrach sie. “… und bitte, Tante Sophia, sag jetzt nicht, Armin könne von Glück reden, dass er mich abbekommen hat”, witzelte sie.
“Du hast mich durchschaut Liebes. Ich kann mich noch gut an das letzte Mal erinnern; du hättest mir dann sicher wieder geantwortet, dass du den anderen Schuh anhast.”
“Da muss ich dir Recht geben, meine liebste Tante.”
*
Hannahs Schwangerschaft verlief genauso problemlos wie damals, als sie Alexander erwartete. Doch sehr oft wurde sie in dieser Zeit auch von einer schmerzhaften Erinnerung übermannt. Sie hatte manchmal Armin gegenüber ein schlechtes Gewissen, dass sie jetzt, da sie
sein
Kind erwartete, so viel an einen anderen dachte. Ja, sie war wie zeitlich zurückgesetzt, in die Zeit Alexanders des Großen. Es war alles so lange her und doch in diesem Moment ihres Zustandes so nahe. Ihr Sohn war so feinfühlig, dass er spürte, was in Hannah vorging.
“Du denkst an meinen Vater, nicht wahr?”, fragte er in seiner ernsten mitfühlenden Art. Sie nickte und hatte Tränen in den Augen, gerade weil es ihr Sohn war, der diese tiefblickende Feststellung machte. Es berührte sie unendlich.
“Weißt du Alexander, ich fühle mich dabei so schlecht, Armin gegenüber”, sagte sie traurig. Alexander legte einen Arm um die Schultern seiner Mutter und sagte: “Mama, ich kann dir sehr gut nachfühlen und ich denke, auch Armin würde es verstehen. Du hast im Zusammenhang mit deiner Schwangerschaft eine Assoziation miteinem Verlust. Es ist wie eine Verletzung tief in dir drinnen. Sie war zwar vernarbt, aber wurde jetzt wieder aufgerissen.” Hannah schmiegte sich an ihren Sohn, legte ihren Kopf an seine Schulter. Er war so wunderbar, hatte die Reife eines Erwachsenen.
*
Am 1. Oktober feierte die evangelische Laudatekirche ihr 25jähriges Jubiläum und natürlich gab es in diesem Zusammenhang auch diverse Veranstaltungen, denen Alexander als berühmtester Bürger der Stadt Garching als Aktiver aber auch Passiver nicht entziehen konnte. Er wusste, dass er dieser Stadt eine Teilnahme bei solchen Anlässen schuldig war und folgte den Einladungen, auch wenn es ihm in seiner momentanen Verfassung nicht darum war. Am meisten interessierten ihn jedoch die Konzerte. Beim Kirchenkonzert spielte er diverse Händel Orgelkonzerte teilweise mit Trompetenbegleitung und gegen Ende der Feierlichkeiten dirigierte er Mozarts
‘Laudate Dominum’
und danach seine eigene Chorkomposition
‘Ad maiorem dei gloriam’
.
Während des Konzerts bildete sich auf so mancher Körperoberfläche eine Gänsehaut. Selbstverständlich waren auch Hannah und Armin geladene Gäste. Beide waren sie von Alexanders Auftritten tiefbewegt.
Im gleichen Monat, nämlich Mitte Oktober, gab es in Garching einen weiteren noch größeren Festakt zur U-Bahnhof-Eröffnung. Auch bei diesem Anlass musste er seiner Pflicht als berühmtem Bürger einer Stadt, welcher just in seinem Geburtsjahr die Stadtrechte verliehen wurden, nachkommen.
Für ihn waren die Feste alle zu viel Trubel, dem er am liebsten aus dem Weg gegangen wäre. Aber er wusste, dass er sich da nicht einfach ausklammern konnte, zumal er nicht verhehlen konnte, dass ihm diese Stadt ans Herz gewachsen war und Feste gehörten nun mal zu einer Stadt. So biss er in den für ihn sauren Apfel und ließ die ganze Festprozedur über sich ergehen. Den meisten entging, dass er oft gar nicht wirklich anwesend war, außer Tatjana, die für in unentdeckt unter den Zuschauern saß. Sie kannte Alexanders Stimmungen zu gut und es schmerzte sie tief drinnen. Eine unerklärliche Angst überkam sie und sie ermahnte sich selbst innerlich: “Hallo Tatjana, komm zurück! Hör auf, schwarzen Gedanken nachzuhängen und genieße einfach diesen schönen Anlass an diesem wunderschönen Tag.”
Doch auch eine weitere Person, die in Alexanders Leben eine Rolle spielte und die an dessen Leben großen Anteil nahm, war unter der Zuhörerschaft.
Timo verließ seinen Zuschauerplatz etwas früher. Er wollte draußen warten, weil er Alexander unbedingt treffen wollte. Dieses Ansinnen war natürlich, angesichts der Menschenmassen, nicht gerade einfach. Aberer versuchte es. Er drängte sich durch die vielen Menschen und entdeckte gerade, wie Alexander in den bereitstehenden Volvo S60, eine schwarze
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