Der Sohn der Schatten
sie, würde sie von Seereisen krank. Also reisten Fergus und seine Männer nach Südosten, und als sie sich der Küste von Man näherten, senkte sich ein Nebel herab, so dicht, dass man die Hand nicht mehr vor Augen sehen konnte. Sie rafften das Segel und ruderten nicht weiter, aber das Boot bewegte sich, gezogen von einer unsichtbaren Strömung, während die Besatzung schaudernd vor Angst dasaß und an Seeungeheuer mit riesigen Zähnen und an messerscharfe Klippen dachte. Und nach langer Zeit kratzte der Kiel des Bootes über einen muschelbesäten Strand, und der Nebel hob sich so plötzlich, wie er sich gesenkt hatte. Sie waren am Strand einer kleinen felsigen Insel, die nicht viel mehr war als ein Fleck im Meer, ein verlassener Ort, der nur von Seehunden und Vögeln bewohnt wurde. Die Männer waren erschrocken. Fergus versuchte sie zu trösten, obwohl er selbst auch nicht glücklich über die Situation war. Es war seltsam still an diesem Ort, und er hatte das Gefühl, dass etwas Großes jede ihrer Bewegungen beobachtete. Er wies seine Männer an, das Boot an Land zu ziehen und ein Lager im Schutz überhängender Felsen aufzuschlagen, während er höher hinaufkletterte, um sich umzusehen.
Als er durch Felsen hinaufkletterte, bemerkte er überrascht, dass an diesem verlassenen Ort durchaus Leben herrschte: niedrige Kriechpflanzen, vom Wind gebogene Büsche, Krebse und Krabben und kleine, huschende Tiere. Und viele, viele Vögel flogen über ihn hinweg. Fergus stand ganz oben auf der kleinen Insel und schaute nach Norden. Dort war in der Ferne die Insel Man zu sehen, weit weg, aber immer noch zu nahe, als dass es beruhigend gewesen wäre. Im Osten, viel näher, lag eine weitere Felseninsel, größer als die, auf der sie gelandet waren. Eine Insel mit Buchten und flachem Boden, der mit Gras bedeckt war, und mit Klippen im Süden; ein Ort, an dem man sich vielleicht aufhalten konnte, wenn dort frisches Wasser zu finden war. Und im Westen gab es eine dritte Insel. Fergus wusste sofort, dass sie es gewesen war, von der Eithne gesprochen hatte. Sie ragte aus dem Meer auf wie eine große Steinsäule, steil und kahl, ihr Sockel eine Masse spitzer Felsen, über die das Meer kochte und zischte. Zu seinem Erstaunen entdeckte Fergus, dass man ein paar grobe Treppenstufen in den Felsen gehauen hatte, den ganzen Weg bis zur Spitze. Es gab dort eine Art Sims und Bäume. Bäume! Fergus konnte es kaum glauben, aber ein Hain von Bäumen, die wie Ebereschen aussahen, krönte diese seltsame Felssäule, über der die Vögel kreisten.
Fergus dachte eine Weile nach, und dann ging er wieder hinunter zu den Männern, half ihnen beim Feuermachen und versprach ihnen, sie würden am Morgen wieder zu Hause sein. Die Männer waren erleichtert. Diese Reise war einfach zu seltsam gewesen. Dann sagte Fergus: ›Aber erst will ich, dass ihr mich da rüberbringt.‹ – ›Wohin?‹, fragten seine Männer. ›Dorthin‹, sagte Fergus. Man konnte von dort, wo sie standen, nicht mehr als die Spitze der dritten Insel sehen, also stimmten die Männer zu. Am nächsten Morgen, als sie im Boot waren und ihn hinüberrudern wollten, entdeckten sie die Felsen und die schäumende Brandung und spürten, wie sich kalter Schrecken in ihre Eingeweide senkte. ›Rudert weiter‹, sagte Fergus grimmig, und das taten sie. Dann wurde das Boot von der Strömung ergriffen; sie hoben die Ruder, und das Boot wurde weitergesaugt, näher und näher an die Felsen, bis die Männer anfingen zu schreien und zu Manannán mac Lir beteten, sie zu retten. Und gerade, als es so aussah, als würden sie in Stücke geschlagen, wurde das Boot plötzlich zwischen den Felsen in eine Art Höhle gezogen, wo das Wasser wirbelte, und an der Seite der Höhle gab es einen Sims und eine Öffnung und Stufen, die in den Felsen gemeißelt waren und nach oben führten.
Bevor einer noch ein Wort sagen konnte, war Fergus aus dem Boot gesprungen und auf dem Sims und vertäute das Boot an einem Eisenpfahl, der in eine Ritze zwischen die nassen Felsen getrieben war. ›Ich bleibe nicht lange‹, sagte er und ging die Treppe hinauf. Die Männer blieben im Boot und waren sehr still. Es war dunkel in der Höhle, und das Wasser bewegte sich seltsam gegen den Kiel, als befänden sich irgendwelche Geschöpfe direkt unter der Oberfläche. Das Meer rauschte zu einer Öffnung hinein und zu einer anderen wieder hinaus – einer Öffnung, in der sie kaum genug Platz haben würden, selbst mit umgelegtem Mast.
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