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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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würden wir behaupten, dass wir überhaupt keine Wahl bei dem haben, was wir tun, bei dem, wie wir leben. Das glaube ich nicht, Onkel. Vielleicht verbringen wir nur kurze Zeit in dieser Welt, wie das Feenvolk behauptet; vielleicht ist unser Blickfeld begrenzt. Aber innerhalb dieser Grenzen haben wir die Macht, Dinge zu verändern, die Macht, Entscheidungen zu treffen und zu gehen, wohin wir gehen müssen. Wenn ich irgendetwas über mich gelernt habe, dann, dass ich kein Werkzeug eines Herrn oder einer Herrin sein und nach ihrer Pfeife tanzen werde. Nicht, wenn mein Herz mich auf einen anderen Weg ruft. Du hast Ciarán dazu erzogen, weise und im Gleichgewicht zu sein. Das trägt er in sich, ebenso wie das Blut der Zauberin. Was du ihm so liebevoll durch all die Jahre der Ausbildung weitergegeben hast, macht ihn stark. Vielleicht ist er stärker, als du glaubst.«
    Wir sprachen nicht wieder von diesen Dingen, und schließlich, als der Sommer in den Herbst übergegangen war und Johnny allein aufrecht sitzen und umherkrabbeln konnte, brach Conor mit seinen schweigenden, weiß gewandeten Brüdern auf. Er sagte nichts weiter zu mir als: »Sorge dafür, dass er in Sicherheit ist, Liadan. Um unserer aller willen, pass auf ihn auf.«

KAPITEL 13
    Wir hatten kein Wort von Eamonn gehört. Er hatte nur eine Eskorte geschickt, um seine Schwester nach Hause zu holen. Dafür war ich zutiefst dankbar, denn das letzte Gespräch zwischen uns war tief in meinen Geist eingeprägt, zusammen mit der Erinnerung an seinen Kuss. Bis zum Herbst war ich in der Lage, mir mit einiger Überzeugung zu sagen, dass er mein Nein zumindest akzeptiert haben musste und wohl beschlossen hatte, mit seinem Leben weiterzukommen. Es tat mir Leid, wenn meine Entscheidung Sean und Liam Schwierigkeiten bereitete, denn ihre Verbindung zu Eamonn war nicht nur für ihre gemeinsame Verteidigung, sondern auch für den Erfolg eines Angriffs gegen die Northwoods notwendig. Beide hatten Bemerkungen über Eamonns Schweigen gemacht. Dennoch, es war noch früh. Mit der Zeit würde das Bündnis so stark wie eh und je sein, denn sollte nicht Aisling im nächsten Frühjahr meinen Bruder heiraten? Das würde viele Wunden heilen.
    An einem warmen Nachmittag nahe an Meán Fómhair, als die Ernte beinahe vorüber war und die Äpfel reif an den Bäumen hingen, nahm ich meinen Sohn mit zu einem geschützten Teil des Seeufers. Hier reichten die Äste der Trauerweiden beinahe bis zum Rand des Wassers, und die Biegung des Ufers bot sowohl Zuflucht als auch Abgeschiedenheit. Es war ein goldener Tag; die Seeoberfläche glitzerte vor Licht, und der Wald hatte begonnen, seinen Herbstschmuck anzulegen, einen Hauch von Orangefarben, Scharlachrot und Gelb rings um das ernste Grün der Fichten, die die Hügel krönten. Als Kinder hatten wir hier glückliche Tage mit Schwimmen und Tauchen verbracht, wir waren auf Bäume geklettert und hatten unzählige neue Abenteuer erfunden. Nun ließ ich meinen Sohn nackt auf dem Sand herumkrabbeln, wo er seltsame Muster mit seiner neu erlernten kriechenden Bewegungsweise hinterließ. Und später zog ich mich bis aufs Hemd aus und nahm ihn mit ins Wasser. Ich vertraute darauf, dass die Erntearbeit dafür sorgen würde, dass wir ungestört blieben. Johnny strahlte vor Entzücken und zeigte seine beiden neuen Zähne, als er das kühle Wasser auf der Haut spürte. Ich hob ihn sanft hinein und hinaus und spritzte ein wenig.
    »Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich dir das Schwimmen beibringen«, sagte ich ihm. »Du wirst wie ein Lachs schwimmen oder vielleicht wie ein Seehund. Und dann werden sie alle behaupten, dein Vater wäre ein Wesen aus dem Meer, ein Selkie.«
    Wir spielten und spielten, bis er müde wurde, und dann legte ich ihn auf seine kleine Flickendecke in den Schatten der Weiden. Er schlief noch nicht ganz, aber er schien zufrieden damit, dort eine Weile zu liegen und sich das komplizierte Muster von Licht und Schatten anzusehen, das die langen, schmalen Blätter hinterließen, und leise in seiner Kindersprache, die ich nicht so recht verstand, mit sich selbst zu reden. Fiacha hockte in den Zweigen in der Nähe und sah zu. Er war unruhig geworden, als wir im Wasser waren, und unter besorgtem Krächzen über uns hinweggeflattert oder am Ufer auf und ab gegangen, wo seine kleinen, ordentlichen Fußspuren immer noch im Sand zu sehen waren. Nun war er beruhigt. Ich kehrte zurück ins Wasser und schwamm ein wenig, blickte hin und wieder zu Johnny hin,

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