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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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blauen Flecken meiner Schwester. Ich dachte über Vertrauen nach und darüber, wie gefährlich es sich erweisen konnte, wenn man sich irrte. Ich dachte darüber nach, wie riskant es war, eine Wahl zu treffen, die auf Vertrauen gründete, darauf, was andere für das Richtige hielten. Mir war vollkommen klar, was Conor sich für mich und meinen Sohn wünschte. Es war dasselbe, was auch das Feenvolk wollte. Tatsächlich schien es nicht mehr als dem gesunden Menschenverstand zu entsprechen. Vielleicht war der Wald der einzige Ort, an dem mein Sohn in Sicherheit war. Aber ich war nicht überzeugt. Die einzigen Entscheidungen, von denen ich wirklich überzeugt war, waren meine eigenen.
    Wir saßen zusammen im Garten, und Johnny lag auf seiner Decke unter den Bäumen. Es war niemand in der Nähe. Ich nähte, denn Johnny wuchs rasch und brauchte ständig neue kleine Hemden. Conor saß an meiner Seite und schaute zum See hin.
    »Onkel«, sagte ich zögernd, »ich weiß nicht, wie ich dich das fragen soll. Ich habe viele Andeutungen über das alte Böse gehört. Etwas, wovon ihr glaubtet, es sei verschwunden, und das jetzt wieder erwacht ist. Ich habe häufig daran gedacht, besonders, seit Mutter nicht mehr bei uns ist. Ich erinnere mich an deine Geschichte – die über Fergus und Eithne. In dieser Geschichte sagt das Feenvolk, dass in Sevenwaters nichts wirklich gut sein wird, ehe die Inseln nicht wieder zurückerobert würden und das Gleichgewicht wiederhergestellt würde. Es kommt mir nun so vor, als sei alles hier falsch. Was mit Niamh geschehen ist, war schrecklich. Ich muss dir sagen, dass ich den Grund dafür entdeckt habe, wieso du ihre Heirat verboten hast. Ich weiß, wer Ciarán ist. Aber ich verstehe nicht, warum du ihnen nicht die Wahrheit gesagt hast. Zweimal hast du sie ihnen vorenthalten, zunächst Ciarán selbst, als du ihn aufwachsen ließest, ohne ihm zu sagen, wer er war, und dann hast du Niamh glauben lassen, er hätte sie einfach verlassen – du hast ihnen nur gesagt, es sei verboten, dass sie zusammenkamen, ohne den Grund zu nennen. Das war grausam. Ich verstehe nicht, warum du die Wahrheit so verborgen hast. So ist es hier früher in Sevenwaters nicht gewesen.«
    »Hat Finbar dir das erzählt?« Conors Stimme war so ruhig wie immer, aber seine Hände waren nervös, und er drehte einen Haselzweig hin und her.
    »Ich habe mit ihm über diese Dinge gesprochen, ja.« Ich konnte ihm nicht sagen, dass Ciarán zurückgekehrt war. Er durfte nicht wissen, dass Niamh lebte, obwohl es grausam schien, es ihm nicht zu sagen. Indem Ciarán sich entschieden hatte, meine Schwester zu beschützen, hatte er sie vollends von ihrer Familie getrennt. »Aber Finbar hat kein Versprechen gebrochen, Onkel. Er hat mir gesagt, dass du ihn in dieser Sache zum Schweigen verpflichtet hast. Ich habe die Wahrheit selbst herausgefunden, aus Visionen und … aus anderen Dingen.«
    »Ich verstehe.«
    »Und nun suche ich eine Erklärung von dir, wenn du sie mir geben willst. Denn du hast mir gesagt, ich solle meinen Sohn hier im Wald aufwachsen lassen, als wäre er tatsächlich das Kind der Prophezeiung, derjenige, der alles wieder in Ordnung bringen wird. Und es sieht so aus, als wäre das Böse dabei, immer näher zu kommen. Wir haben hier viele Verluste gesehen, nicht zuletzt den des Vertrauens. Ich verstehe, was das Feenvolk mir gesagt hat – dass Johnny der Schlüssel sein könnte. Aber er ist so klein.« Ich warf einen Blick auf Johnny, der vor Anstrengung grunzte, als er versuchte seine Zehen mit den Fingern zu erreichen. »Wenn es stimmt, was sie sagen, dann mag mein Sohn eine – eine gewisse Rolle dabei spielen. Ich bin seine Mutter. Wie kann ich irgendetwas entscheiden, wenn ich nicht die ganze Wahrheit kenne?«
    Conor sah mich an. »Hast du denn die ganze Wahrheit gesagt?«, fragte er ernst.
    Ich spürte, wie ich errötete. »Nein, Onkel. Aber ich versuche nicht, das Böse zu verbergen, ich schütze nur jene, die ich liebe. Und ich habe meiner Mutter am Ende die Wahrheit gesagt.«
    Er nickte und war damit offensichtlich zufrieden. »Auch ich habe nur versucht, jene zu schützen, die ich liebte, Liadan. Aber ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht. Ich hielt mich für stark genug, das Böse, das sie gewirkt hat, wieder gutzumachen und ihr meine eigene Strategie entgegenzusetzen. Aber ich bin nur ein Mensch, eine kleine Figur in diesem Spiel. Sie ist mehr als das. Ein Geschöpf von größerer Macht als irgendwer hier

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