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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Hauptmann hereinkam. So gut seine Männer waren, er war offensichtlich besser. Ich hoffte, dass er uns noch nicht lange belauscht hatte. Er sah sich aus kalten grauen Augen um, kam dann herüber und griff nach dem Messer. Hund machte einen ausgesprochen erleichterten Eindruck.
    »So schnell kommst du nicht davon«, sagte ich ihm. »Du bist hier der Größte und Kräftigste, also hältst du ihn an den Schultern fest. Aber halt dich fern von wo der – von wo dieser Mann hier schneiden wird. Ihr beiden nehmt die Beine. Er sieht vielleicht aus, als wäre er bewusstlos, aber er wird diesen Schmerz spüren, und die Nachwirkungen. Wenn ich es euch sage, müsst ihr eure ganze Kraft einsetzen, um ihn fest zu halten.«
    Sie taten, was ich ihnen gesagt hatte, denn sie waren daran gewöhnt, Befehlen zu gehorchen.
    »Hast du so etwas schon einmal gemacht?«, fragte ich den Mann mit dem Messer.
    »Nicht genau dasselbe. Aber zweifellos wirst du mir ebenfalls Anweisungen geben.«
    Ich entschied mich rasch, nicht die Nerven zu verlieren, ganz gleich, wie arrogant er sich gab.
    »Wir gehen Schritt für Schritt vor. Wenn wir anfangen, musst du sofort tun, was ich dir sage. Es wird viel einfacher sein, wenn du mir einen Namen nennst, den ich benutzen kann. Ich werde dich nicht Hauptmann nennen.«
    »Nenn mich, wie du willst«, sagte er und zog die Brauen hoch. »Wir haben hier keine Namen außer denen, die du gehört hast.«
    »Es gibt Geschichten über einen Mann namens Bran«, sagte ich. »Das bedeutet Rabe. Ich werde diesen Namen benutzen. Ist der Dolch heiß genug? Du musst ihn schnell holen, wenn ich es dir sage, Hund.«
    »Er ist bereit.«
    »Also gut. Und nun, Bran, siehst du diese Stelle an der Schulter, wo der Knochen noch ganz ist?«
    Der Mann, den ich nach einem Reisenden der Legende benannt hatte, nickte mit ablehnender Miene.
    »Du musst hier ansetzen, um den Schnitt sauber führen zu können. Lass das Messer nicht bis an diesen Punkt gleiten, denn die Wunde wird niemals heilen, wenn wir Knochensplitter drinnen lassen. Konzentriere dich auf das, was du tust. Überlass es den anderen, ihn festzuhalten. Ich werde erst die Haut mit meinem kleinen Messer zurückschneiden … Wo ist mein kleines Messer?«
    Möwe griff nach unten und holte es aus seinem Stiefel.
    »Danke. Ich werde jetzt anfangen.«
    ***
    Später fragte ich mich, wie es mir gelungen war, mich weiterhin zu beherrschen. Wie ich es geschafft hatte, so ruhig und fähig zu wirken, während mein Herz dreimal so schnell raste wie üblich und mir überall vor Angst kalter Schweiß ausbrach. Angst davor, zu versagen. Angst vor den Folgen des Versagens, nicht nur für den unglücklichen Evan, sondern auch für mich selbst. Niemand hatte mir genau gesagt, was geschehen würde, wenn diese Sache nicht gut ausging, aber ich konnte es mir vorstellen.
    Der erste Teil war nicht so schlimm. Säuberlich durch die Schichten trennen, die Haut zurückschälen bis an die Stelle, wo jemand ein schmales Stück Leinen ausgesprochen fest um den Arm gebunden hatte, direkt unterhalb der Schulter. Meine Hände waren bald rot bis zu den Handgelenken. So weit, so gut. Der Schmied zuckte und zitterte, erwachte aber nicht.
    »Also gut«, sagte ich. »Und jetzt schneidest du, Bran. Direkt hier. Hund, halt ihn gut fest. Halt ihn fest. Es muss schnell gehen.«
    Zu solchen Zeiten ist vielleicht tatsächlich ein Mann, der keine menschlichen Empfindungen hat, der beste Helfer. Ein Mann, der Knochen ebenso säuberlich und entschieden durchtrennen kann wie ein Stück Holz. Ein Mann, dessen Miene keine Reaktion zeigt, wenn sein Opfer zuckt und plötzlich beginnt, um sich zu schlagen, sich gegen die muskulösen Arme sträubt, die ihn niederhalten, und ein schauderndes Stöhnen ausstößt, das tief aus dem Bauch kommt.
    »Jesus Christus«, hauchte Schlange und lehnte sich quer über die Beine des Schmieds, um ihn am Boden zu halten. Das schreckliche, sägende Geräusch ging weiter. Der Schnitt war so gerade wie eine Schwertklinge. An meiner Seite hatte Hund einen massiven Unterarm auf den linken Arm des Patienten gestützt, den anderen oben auf die Brust gedrückt.
    »Vorsichtig, Hund«, sagte ich. »Er muss immer noch atmen können.«
    »Ich glaube, er kommt zu sich.« Möwe drückte die Hände schwer auf Evans rechte Seite. »Es wird schwer, ihn festzuhalten. Kannst du ihm nicht noch etwas von dem …?«
    »Nein«, sagte ich. »Ihm mehr zu geben würde ihn umbringen. Wir sind fast fertig.« Es gab ein

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