Der Sohn des Apothekers (German Edition)
warten.«
Trevisan wurde in ein helles Zimmer mit typischen Wartezimmerstühlen
geführt, wo er sich niederließ. Margot nahm ebenfalls erst einmal Platz.
»So habe ich mir diese Befragung nicht vorgestellt«, sagte
Trevisan zähneknirschend.
»Es ist ihre Abteilung und es sind ihre Spielregeln«, antwortete
die Psychologin. »Ich kann das verstehen. Die Psyche ist ein schwieriges
Arbeitsfeld und er scheint sich hier akklimatisiert zu haben. Sie wollen nicht,
dass wir da reinstürmen, ein Schlachtfeld hinterlassen und dann einfach wieder
abziehen. Das würde dem Jungen jegliche Sicherheit nehmen und wäre
therapeutisch ein Supergau. Du kannst mir vertrauen. Ich weiß, weshalb wir hier
sind, und ich hoffe, einen Zugang zu dem Jungen zu finden. Dann wird er mir
schon erzählen, was er weiß.«
Heide Sonntag kehrte zurück und trug eine Mappe mit allerlei
Zeichnungen bei sich. »Damit können Sie sich die Zeit vertreiben«, sagte sie.
»Das sind weit über hundert Bilder. Wenn Sie einen Kaffee wollen oder sonst
etwas, wenden Sie sich an Hans, unseren Pfleger. Übrigens sind auch zwei Ihrer
Kollegen unten im Foyer, Sie sind ihnen sicher begegnet.«
»Danke«, antwortete Trevisan. »Ich hätte da noch eine Frage.
Sven hatte damals in Tennweide eine, sagen wir: eine Betreuerin, namens Sarah.
Hat sich dieses Mädchen mal hier bei ihm gemeldet?«
Heide Sonntag schüttelte den Kopf. »Er spricht auch heute noch
oft von ihr. Aber nein, nicht, dass ich wüsste – sie hat sich nicht gemeldet
und anfänglich litt Sven auch sehr darunter.«
»Ich danke Ihnen.«
»Frau Martinson, dann schauen wir mal … Er ist heute gut drauf,
das erleichtert so manches.«
»Nennen Sie mich Margot«, entgegnete Margot Martinson und
folgte der Betreuerin.
*
»Wo ist Trevisan?«, fragte Kriminaloberrat Engel.
Hanna erschrak, sie hatte nicht gehört, wie ihr Abteilungsleiter
das Konferenzzimmer betreten hatte.
»In Langenhagen«, antwortete sie. »Vernehmung des
Apothekersohnes.«
Engel zog einen Stuhl heran und setzte sich. »Ich müsste
dringend mit ihm sprechen, wann kommt er denn wieder?«
»Das kann dauern.«
»Es ist sehr wichtig.«
»Da kann man nichts machen.«
Engel druckste ein wenig herum.
»Was liegt denn an?«, fragte Hanna und legte ihren Kugelschreiber
zur Seite.
»Es ist … Es liegt eine Beschwerde gegen diese Abteilung beim
Präsidenten vor.«
»Eine Beschwerde?«, wiederholte Hanna. »Wer beschwert sich denn
und weswegen?«
»Es geht um diese Jungs, die er verdächtigt. Der Gemeindevorstand
aus Tennweide hat sich über einen Anwalt schriftlich darüber beklagt, dass sein
unschuldiger Sohn vom LKA verfolgt wird und zu einer Vernehmung vorgeladen
wurde. Der Anwalt droht mit einer Klage wegen Verfolgung Unschuldiger und will
die Presse einschalten. Wissen Sie etwas davon?«
Hanna nickte. »Lisa und ich haben die Vorladung heute Mittag
zugestellt, aber er ist als Zeuge vorgeladen, nicht als Beschuldigter.«
»Wir können uns in dieser Sache keine weiteren Fehler mehr
erlauben«, antwortete der Kriminaloberrat. »Schon damals, als die Soko diesen
behinderten Jungen verhaftete, gab es einen Aufruhr in der Bevölkerung. Ich
schlage vor, dass Sie die Vorladungen zurücknehmen und auf das Ergebnis der
DNA-Überprüfung warten. Wir setzen uns sonst in die Nesseln und die Presse
wartet nur auf Schlagzeilen. Das ist sehr, sehr heikel, finde ich.«
»Es kann Wochen dauern, bis wir ein positives Ergebnis
vorliegen haben«, wandte Hanna ein.
»Der Anwalt schreibt, dass die Jugendlichen an dem
Testverfahren teilgenommen haben und ihre Vernehmung als Zeugen aus diesem
Grund zum jetzigen Zeitpunkt rechtlich bedenklich sind. Sollten sie mit der Tat
etwas zu tun haben, dann würden sie durch den genetischen Fingerabdruck
überführt, aber solange kein Ergebnis vorliegt, werden sie der Vorladung nicht
Folge leisten.«
»Sollen wir uns in den Sesseln zurücklegen und Däumchen
drehen?«, fragte Hanna schnippisch.
»Der Fall liegt über drei Jahre zurück, da kommt es auf ein
paar Wochen nicht an«, entgegnete Engel. »Ich möchte, nein, ich ordne an, dass
Sie sich erst einmal zurückhalten. Wir können uns keinen Skandal leisten,
verstehen Sie.«
»Ich werde Ihre Bitte an Trevisan weiterleiten, sobald er
wieder hier ist.«
»Das war keine Bitte, dass war eine dienstliche Anordnung und
daran haben Sie sich zu halten. Schließlich trage ich die Verantwortung in
dieser Abteilung. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Hanna
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