Der Sohn des Apothekers (German Edition)
»Was stimmt nicht, was meinst du damit?«
»Entführung oder Mord«, antwortete Trevisan. »Wenn die Mädchen
tatsächlich entführt wurden und der Täter will sich seines Opfers entledigen,
dann wirft er es doch nicht mitten auf eine Straße, wo es gefunden wird. Er
muss doch damit rechnen, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden.«
Hanna seufzte. »Genau das geht mir auch ständig durch den
Kopf.«
»Wie war das mit der DNA-Spur?«
Lisa zog die Tastatur des Computers zu sich und rief die
Ermittlungsdatei auf. »Der Rucksack wurde zwölf Tage später aufgefunden«, las
sie vor. »Die SOKO hatte damals eine DNA-Überprüfung der männlichen Einwohner
von Tennweide und der Region angeregt. Aber die Staatsanwaltschaft hat den
Antrag verworfen, da sie aufgrund des Fundortes davon ausgingen, dass ein
reisender Täter in Frage kommt, der zufällig in der Gegend war und keinen Bezug
dazu hat. Ein zu großer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Unschuldiger, war
die Begründung des Gerichts.«
»Und freiwillig?«
»Erinnere dich, damals gab es das DNA-Gesetz noch nicht und
alles lief nur über den Verdächtigtenstatus«, wandte Hanna ein.
»Der Rucksack kann auch von jemandem aus dem Dorf dort abgelegt
worden sein, um den Eindruck zu erwecken, dass der Täter nur auf der Durchreise
war. Und vielleicht war damit auch beabsichtigt, eine DNA-Überprüfung im Ort zu
verhindern.«
»An wen denkst du bei deiner Spekulation?«, fragte Lisa.
Trevisan zuckte mit der Schulter.
»Fest steht, dass eines der Opfer wieder aufgetaucht ist, und
damit müssen wir von einer Entführung ausgehen«, widersprach Hanna.
»Bleiben die Rocker«, fügte Lisa hinzu.
Hanna lehnte sich zurück und fuhr sich über ihre langen blonden
Haare. »Was machen wir jetzt?«
»Ich gehe zurück nach Tennweide und schnüffle dort noch etwas
herum«, sagte Trevisan. »Ihr sondiert die eingehenden Mitteilungen. Vielleicht
ist ja etwas Verwertbares darunter, dass uns weiterbringen könnte.«
Hanna schüttelte den Kopf. »Davon verspreche ich mir nichts.«
Hanna und Lisa blickten beide mutlos drein.
Trevisan setzte sich auf einen Stuhl. »Hey, wir geben noch
nicht auf. Manchmal hat man eben etwas Leerlauf – wer das Geschäft lange genug
gemacht hat, der weiß, dass es solche Phasen gibt. Aber meistens geht es weiter
und ihr werdet sehen, wir sind noch lange nicht am Ende.«
Das Telefon klingelte. Lisa nahm den Hörer ab und meldete sich.
Das Telefonat war kurz. Sie blickte auf. »Teufelchen will dich sehen.«
Trevisan atmete tief ein. »Okay, ab in die Höhle des Löwen«,
schmunzelte er. Als er an Lisa vorüberging, klopfte er ihr auf die Schulter.
»Auf geht’s, wir schaffen das!«
*
Die beiden uniformierten Beamten standen im Foyer des
Verlagshauses und warteten ungeduldig, bis Monika Keppler aus dem Aufzug stieg
und auf sie zukam.
»Frau Keppler?«, fragte der ältere der zwei.
»Ja, richtig«, antwortete die Chefredakteurin.
»Sie haben gestern Abend Vermisstenanzeige erstattet und suchen
Ihren Mitarbeiter?«
Monika Keppler war die Besorgnis anzusehen. »Ist ihm etwas
zugestoßen?«, fragte sie unsicher.
Der Beamte schüttelte den Kopf. »Wir haben die Kollegen aus
Mardorf verständigt, die heute Morgen in der Pension Klosterkrug Ermittlungen durchgeführt haben. Herr Belfort wurde dort nicht angetroffen …«
»Ja, das wissen wir, deswegen waren wir ja bei der Polizei«,
fiel ihm Monika Keppler ungeduldig ins Wort.
»Sie müssen mich schon ausreden lassen«, fuhr der Beamte
missmutig fort. »Der Kollege konnte in Erfahrung bringen, dass Ihr Vermisster
offensichtlich nach Dänemark gereist ist.«
Monika schüttelte den Kopf. »Das ist doch Blödsinn«, fuhr sie
den Beamten an. »Er weiß doch, dass wir ein Team nach Dänemark zur Recherche
geschickt haben, das war doch alles abgesprochen.«
»Vielleicht wollte er einfach selbst …«
»Blödsinn!«, blaffte Monika Keppler. »Das hätte er nie gemacht,
ohne es mit mir abzusprechen. Außerdem hatte er einen Termin zu einem
Interview. Dort ist er nicht aufgetaucht. Ich sage Ihnen, da ist etwas
passiert!«
»Wie ich den Akten entnehme, ist er ein erwachsener Mann,
außerdem liegt weder eine hilflose Lage …«
»Das hat uns Ihr Kollege gestern schon erklärt. Hören Sie,
Justin Belfort hat an einer Sache gearbeitet, bei der zwei Mädchen verschwunden
sind. Wahrscheinlich wurden sie entführt. Er ist einer unserer besten Reporter
und er ist absolut verlässlich. Es war
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