Der Sohn des Apothekers (German Edition)
ich habe keine Ahnung, was in der Abteilung vor sich
geht«, zeterte Engel. »Ich bekomme keine Berichte und wenn ich nach Ihnen
suche, dann heißt es, er ist unterwegs und sondiert die Lage. Das ist doch
keine Polizeiarbeit! Noch dazu stehe ich jedes Mal wie ein Idiot da, wenn ich
gefragt werde, wie weit die Ermittlungen vorangekommen sind. Außerdem haben
Sie entgegen meiner Weisung den Zeitungsartikel abgeändert. Das ist doch wohl
die Höhe! Übrigens hat die Staatsanwaltschaft den Antrag auf eine
DNA-Reihenuntersuchung zum wiederholten Mal abgelehnt. Ich weiß nicht, was ich
davon halten soll.«
»Ich wollte mit Ihnen wegen des Artikels noch telefonieren«,
entgegnete Trevisan trocken.
»… die Ermittlungsbehörden prüfen die Zulässigkeit eines
Massengentests aller männlichen Personen zwischen dem achtzehnten und dem
fünfzigsten Lebensjahr «, zitierte Engel aus seiner Erinnerung. »So ließ ich
die Zeitungsmeldung von der Pressestelle formulieren, aber Sie haben eigenmächtig
den Text umgestellt, so dass es für die Leserschaft wirkt, als ob dieser Test
schon eine beschlossene Sache sei. Dabei wissen Sie genau, dass dies Ihre
Kompetenz überschreitet. Wir sind an Recht und Ordnung gebunden und wir können
uns nicht über das Gesetz stellen. Auch wenn Sie glauben, dass es ermittlungstaktisch
von Nutzen ist. Ich selbst erkenne den Sinn darin noch nicht. – Trevisan, als
Sie hier Ihren Dienst antraten, dachte ich wirklich, ich hätte einen neuen Abteilungsleiter,
auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann. Aber ich muss leider
feststellen, dass Sie mir permanent in den Rücken fallen. Es ist vielleicht
besser, wenn sich unsere Wege wieder trennen.«
Trevisan hob beschwichtigend die Hände. »Und ich denke, Sie
sollten mit Ihrem Urteil nicht ganz so voreilig sein, Herr Engel. Es mag schon
stimmen, dass meine Methoden für Sie ungewohnt erscheinen, aber ich bin nicht
erst seit gestern bei der Polizei. Geben Sie mir sechs Stunden, wir treffen uns
um 15 Uhr im Besprechungsraum. Dann erfahren Sie alles, was wir zum jetzigen
Stand der Ermittlungen wissen. Wenn Sie dann immer noch der Meinung sind, dass
ich der falsche Mann bin, dann werde ich noch heute vor Dienstschluss meine
Umsetzung beantragen und den Fall abgeben, das verspreche ich Ihnen.«
»Was habe Sie jetzt schon wieder vor, Trevisan?«
»15 Uhr im Konferenzraum und bringen Sie den Direktor mit,
Oberstaatsanwalt Lansing wird ebenfalls anwesend sein«, entgegnete Trevisan.
»Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe noch viel zu tun.«
Hanna kam um die Ecke und nickte Engel kurz zu. »Sobeck wartet
auf deinen Rückruf«, sagte sie zu Trevisan, ehe sie sich Engel zuwandte. »Mit
Trevisan im Boot haben wir zu dritt mehr erreicht als die ganze damalige Soko zusammen.
Wenn er geht, dann werden wir nie erfahren, was aus den beiden Mädchen geworden
ist. Geben Sie ihm die Chance, er hat sie verdient.«
Engel schaute Hanna mit großen Augen an, ehe er abwinkte und
sich erbost umwandte. »Das ist doch wohl nicht zu fassen«, murmelte er. »15
Uhr, da bin ich mal gespannt. Der Direktor und ich werden da sein, aber diesmal
helfen keine Ausflüchte, das ist Ihnen hoffentlich klar.« Der Kriminaloberrat
stürmte den Flur entlang und verschwand hinter der Tür.
»Er hat ganz schön die Hosen voll«, flüsterte Hanna und
lächelte.
»Und er hat keine Ahnung von echter Polizeiarbeit«, fügte
Trevisan lautstark hinzu.
*
Es regnete in Strömen. Kurz nach zehn Uhr hatte es angefangen
und seither ergoss sich ein nicht enden wollender Sturzbach aus den schwarzen
Wolken über dem Steinhuder Meer und der Umgebung. Er hatte sich auf die Seite gedreht.
Auch wenn ihn die Schmerzen langsam wahnsinnig machten, so war er weit davon
entfernt, einfach aufzugeben. Das Wasser hatte sich längst einen Weg in seine
kühle Gruft gebahnt, doch es störte ihn nicht, sondern stillte seinen schier
endlosen Durst. Die Erde war an den Rändern seines Verlieses eingebrochen. Mit
Wurzeln hatte er sich ernährt und die Feuchtigkeit der erdigen Knollen hatte
das Austrocknen seines Körper verhindert. Im Gegenteil, die Kraft kehrte
langsam zurück. Er stemmte sich gegen den Deckel seines Verlieses, war aber
nicht in der Lage, ihn anzuheben, geschweige denn, ein Stück zur Seite zu schieben.
Die lose Erde an den Rändern seiner Gruft hatte er mit den
Fingern abgetragen und nun lockerte das einfließende Wasser den Boden. Er
hoffte, dass sich sein Grab nicht ganz mit Wasser füllen
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