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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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wir verteidigten unsere Grenzen unerbittlich, wenn ein anderes, neidisches Volk versuchte, sie zu überschreiten. Aber im allgemeinen waren wir friedlich. Wenn wir Coyolxaúqui Opfer darbrachten, töteten wir niemals eine Jungfrau oder auch nur einen der gefangenen Gegner. Wir legten kleine Geschöpfe des Meeres und der Nacht auf den Altar der Mondgöttin … etwa die makellose Schale einer vollkommen geformten Flügelschnecke oder einen der sanftgrünen Mondfalter mit den großen Flügeln …« Er schwieg eine Weile und dachte offenbar über die gute alte Zeit nach. Aber die lag schon lange zurück, sogar schon als sein Urgroßvater geboren wurde. Deshalb half ich behutsam nach, damit er die Geschichte nicht vergaß, die er erzählen wollte.
    »Bis die Frau kam …«
    »Ja, ausgerechnet eine Frau. Stellt euch vor, es war eine Frau der Yaki. Die Yaki sind das wildeste und bösartigste Volk der EINEN WELT. Ein paar unserer Jäger fanden sie, als sie hoch oben in unseren Bergen, unvorstellbar weit von der Wüste der Yaki entfernt, ziellos herumwanderte. Die Männer gaben ihr zu essen, etwas anzuziehen und brachten sie hierher nach Aztlan. Aber, ayya ouiya, sie war eine verbitterte Frau. Zum Dank dafür, daß unsere Vorfahren so freundlich zu ihr waren, hetzte sie Freund gegen Freund, Familie gegen Familie, Bruder gegen Bruder.«
    Yeyac fragte: »Hatte sie einen Namen?«
    »Ja, einen häßlich klingenden Yaki-Namen. G’nda Ké. Und dann begann sie, unsere einfache Lebensweise und unsere gütige Göttin Coyolxauqui zu verspotten. Warum, so fragte sie, verehrten wir nicht den Kriegsgott Huitzilopóchtli? Er würde uns in allen Kriegen den Sieg schenken, damit wir andere Völker unterwerfen und viele Gefangene machen könnten. Die müßten wir dem Gott opfern, der sich dadurch überreden lassen werde, uns zu anderen Eroberungen zu verhelfen, bis wir schließlich die unangefochtenen Herrscher über die EINE WELT sein würden.«
    »Aber wieso«, wollte Améyatl wissen, »hatte sie Interesse daran, solche Leidenschaften zu wecken und Kriegsgelüste zu schüren, die unserem Volk fremd waren? Was hätte ihr das genutzt?«
    »Die Antwort auf deine Frage wird nicht schmeichelhaft sein. Die meisten der früheren Erinnerer schrieben das dem widerspenstigen Wesen aller Frauen zu.«
    Améyatl sah ihn mit großen Augen an und rümpfte die hübsche Nase. Canaútli grinste zahnlos und fuhr fort: »Dann sollte es dich freuen zu hören, daß ich eine etwas andere Meinung vertrete. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Männer der Yaki ebenso grausam zu ihren Frauen sind wie zu allen Nicht-Yaki. Ich glaube, diese Frau war von dem Wunsch besessen, daß jeder Mann so unmenschlich behandelt würde, wie sie von den Yaki-Männern behandelt worden war. Sie wollte alle Männer der EINEN WELT dahin bringen, daß sie sich im Krieg gegenseitig töteten und daß den Gefangenen zur größten Zufriedenheit des einen oder anderen Gottes auf den Altären die Herzen aus dem Leib geschnitten wurden.«
    »Wie es bei fast allen Völkern und Stämmen der EINEN WELT in unserer Zeit geschieht«, sagte Yeyac. »Und wie es uns die Priester und Krieger der Mexica lehren. Aber wir haben ein gutes Verhältnis zu allen unseren Nachbarn. Wir müßten bis weit hinter die Berge marschieren, um Krieg zu führen oder Gefangene zu machen, die wir opfern könnten. Aber offenbar hatte die niederträchtige G’nda Ké tatsächlich großen Erfolg.«
    »Beinahe wäre ihr Plan nicht gelungen«, sagte Canaútli. »Sie brachte Hunderte der Bewohner von Aztlan dazu, ihrem Beispiel zu folgen und den blutrünstigen Gott Huitzilopóchtli zu verehren. Aber ebenso viele andere lehnten es vernünftigerweise ab, sich bekehren zu lassen. Im Laufe der Zeit hatte sie die Azteca in zwei unversöhnliche Lager gespalten. Ich habe bereits gesagt, damals stand Bruder gegen Bruder. Schließlich verließen sie und ihre Anhänger die Stadt und suchten in sieben Höhlen in den Bergen Unterschlupf. Dort bewaffneten sie sich, übten sich im Kriegshandwerk und warteten auf den Befehl der Yaki-Frau, loszumarschieren und andere Völker zu unterwerfen.«
    »Bestimmt wären die ersten Opfer die friedlichen Einwohner von Aztlan gewesen«, sagte Améyatl, die ein weiches Herz hatte.
    »Ganz bestimmt. Aber glücklicherweise war der damalige Tlatocapili von Aztlan ebenso jähzornig, reizbar und unduldsam gegenüber Dummköpfen wie dein Vater Mixtzin. Er und die ihm treu ergebene Stadtwache zogen in die

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