Der Sohn des Bannsängers
sie keinen anderen Reisenden. Falls irgendwelcher Handel über diese Berge abgewickelt wurde, dann über eine andere Route als die, der sie folgten. Gugelund vermutete, daß diese entweder weiter im Osten oder im Norden lag. Sie hingegen waren nicht auf Geschäfte aus, sondern auf Erkenntnis, und dorthin führte immer der beschwerlichere Weg.
Tage später wurde die bislang friedliche Atmosphäre empfindlich gestört. Zunächst war es ein lautes Wispern, das immer lauter wurde, bis es zu einem Tosen angeschwollen war, zu einem unablässigen Heulen. Mit sich führte es angenehm frische Luft, welche die müden Lebensgeister weckte. Selbst die Zugechsen beschleunigten ihr Tempo.
Die Otter erkannten sogleich, was es war. »An dem Lärm is nichts Ge'eimnisvolles oder Magisches, Freunde.« Neena stand hinter Buncan, die Pfoten auf seine Schulter gelegt, und blickte in die Ferne. »Das is 'n Fluß, und zwar 'n großer, schnell fließender.«
»Nich so groß wie der Tailaroam«, meinte Squill, »nich mal so groß wie der Kurzstumpf, aber mit größerem Gefälle. Ein Wildwasser!« Dem Otter schienen die Aussichten offenbar zu behagen.
Der schmaler werdende Weg, dem sie folgten, endete am Fluß, der sich in westlicher Richtung reißend zwar, jedoch nicht undurchquerbar, durch eine tiefe Schlucht ergoß. Gugelund inspizierte das Gelände mit geübtem Blick.
»Er durchschneidet das Gebirge mehr oder weniger in der Richtung, die wir einschlagen müssen.« Er deutete flußabwärts.
»Seht ihr, dort ist ein angrenzender Uferstreifen. Wenn er fest genug ist, können wir am Fluß entlangfahren.« Er ruckte an den Zügeln, drängte das Gespann zum Weitergehen.
Als sie auf den Sandstrand einbogen, beäugte Buncan voller Unbehagen den Gebirgsfluß zu ihrer Rechten. »Was geschieht eigentlich, wenn es regnet und der Fluß ansteigt? Dann sitzen wir in dieser Schlucht in der Falle.«
»Du solltest besser schon mal schwimmen üben, Kumpel«, meinte Squill munter. Buncan fand das gar nicht lustig.
Der Wagen rumpelte und schwankte, sank jedoch nicht in die feste Mischung aus Sand und Kies ein. Gugelund musterte angestrengt den vor ihnen liegenden Boden und hielt Ausschau nach weichen Stellen. Als sich die Schlucht um sie herum schloß, ertappte Buncan sich dabei, wie er besorgt in die Richtung schaute, aus der sie gekommen waren. Wenn der Fluß anstieg, würde der Wagen schwimmen... so lange, bis er gegen einen Felsen stieß.
Sie waren noch nicht weit gekommen, als sich das Ufer zu einer ebenen, mit Bäumen und Gras bewachsenen Fläche verbreiterte. Unmittelbar vor ihnen mündete ein Bach in den Fluß, langsam fließend, aber zu tief und zu breit, als daß sie ihn hätten überqueren können. Ausweichen kam nicht in Frage. Der Uferstreifen, den sie entlanggefahren waren und der zunächst so vielversprechend gewirkt hatte, war eine Sackgasse.
Jemand oder etwas hatte das kleine Tal am Zusammenfluß der beiden Gewässer für eine dauerhafte Besiedlung als geeignet empfunden. Neena zeigte auf das Haus und die Scheune, die beide aus Flußsteinen und Treibholz errichtet waren. Das Haus hatte ein steil geneigtes Dach, das dem Fluß zugewandt war.
Hinter der Scheune war ein Pferch abgesteckt. Darin waren gesund und wohlgenährt wirkende Reptilien untergebracht. Buncan bemerkte, daß die dort versammelten Arten eher zum Verzehr als zur Arbeit geeignet waren. Außerdem gab es noch einen weitläufigen Garten und eine kleine Obstpflanzung, die mittels zweier Kanäle vom Nebenfluß bewässert wurden.
Gugelund deutete auf die Stangen, die im seichten Wasser aufgestellt waren. »Hier werden Schalentiere gezüchtet. Wer immer hier wohnen mag, er hat gute Arbeit geleistet. Hier leben jedenfalls keine Händler oder Durchreisende.«
»Nicht bloß Schalentiere.« Neena zeigte auf die beiden Gestelle mit gehäuteten und filetierten Fischen, die hinter dem Haus in der Sonne trockneten.
Als sie näher gelangten, stürmten mehrere Kinder aus dem Haus, um sie zu begrüßen. Zwei Erwachsene folgten ihnen. Keiner zeigte irgendwelche Anzeichen von Angst oder Besorgnis, was darauf hindeutete, daß Besucher, so selten sie auch sein mochten, an diesem Ort nicht unbekannt waren.
Buncan hatte solche Leute noch nie gesehen, Gugelund hingegen erkannte sie sofort.
»Sie gehören zum Stamm der Schnabeltiere«, erklärte er seinen Gefährten, »die bekannt dafür sind, daß sie die Abgeschiedenheit lieben.«
»Se'en verdammt seltsam aus, tun sie.« Squill starrte
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