Der Sohn des Donnergottes
Schaufenster aufgestellt worden.
»Gut. Dann möchte ich nur einen Anzug und vielleicht einen Pelz, falls Sie so etwas im Angebot haben.«
Rutja kaufte sich einen dunklen Zweireiher aus Tweed, neue Schuhe, eine neue Aktentasche und als Krönung des Ganzen gelang es ihm, einen knielangen Wolfspelz ausfindig zu machen, in den er sich auf der Stelle verliebte. Zufrieden betrachtete sich der Sohn des Donnergottes im Ankleidespiegel.
»Das kleidet Sie ausgezeichnet«, gurrte die Verkäuferin, und errötete, als Rutja ihr einen Blick zuwarf.
Rutja bezahlte seine teuren Einkäufe mit einem Scheck. Er hatte kurz Bedenken, daß der Scheck nicht gedeckt sein könnte, aber einem solch unbedeutenden Aspekt wollte er gerade in diesem Moment keine weitere Aufmerksamkeit schenken. Er würde bei Gelegenheit mit Sampsa darüber reden, beschloß Rutja, als er die immense Summe und seinen Namen auf das Papier schrieb.
Die alten Kleider ließ er im Geschäft zurück, mit der Bitte, sie später in seinen Antiquitätenladen in der Iso Roobertinkatu zu liefern.
Auf der Straße erregte Rutja in seinem neuen Wolfspelz und seinem hinreißenden, dreiteiligen Anzug viel Aufmerksamkeit. Auch er selbst war der Ansicht, nun mehr einem Gott zu gleichen als zuvor in Sampsas abgenutzten Klamotten.
10
Rutja war hungrig. Er betrat ein Restaurant, in dem es einen Mittagstisch zu geben schien. Mit unterwürfiger Höflichkeit nahm der Portier den Wolfspelz entgegen. Der Oberkellner führte Rutja an einen eingedeckten Tisch und fragte, was er dem Herrn bringen dürfe.
Das Wort »Herr« wurde in der Bibel häufig verwendet. Ahnte der Oberkellner, daß Rutja in Wirklichkeit ein Gott war, weil er seinen Gast mit Herr anredete?
So oder so, Rutja bestellte die Vorspeise, die ihm der Oberkellner empfahl, eine Suppe, als Hauptspeise ein blutiges Steak und zum Trinken eine Flasche Rotwein.
Der Rotwein war erstaunlich aromatisch. Die Suppe, das Steak und was sonst noch an Speisen aufgetragen wurde, schmeckten vorzüglich. Rutja trank noch eine zweite Flasche Rotwein, so angenehm floß er die Kehle hinunter. Der Ober warf ihm einen vielsagenden Blick zu, als er die Bestellung aufnahm, äußerte sich aber nicht. Nachdem er gegessen und getrunken hatte, zahlte Rutja und verließ das Restaurant. Er fühlte sich leicht, wenn auch ein bißchen benebelt, und beschloß, das Restaurant bei Gelegenheit wieder aufzusuchen. Auf dem Weg zum Antiquitätenladen hätte er am liebsten laut gesungen, so wohl war ihm zu Mute. Er fühlte sich fast so stark wie daheim im Himmel und hätte sogar über einen fünf Meter hohen Zaun springen können. Trotzdem zwang sich Rutja zur Ruhe, denn bald würde er Frau Moisander gegenüberstehen. Er mußte überprüfen, wie weit die Reinigung des Antiquitätenladens fortgeschritten war.
Frau Moisander lag verbittert und gereizt auf dem Sofa. Als Rutja den Laden betrat, fuhr sie hoch und beschimpfte ihren Arbeitgeber mit zahlreichen häßlichen Wörtern. Rutja machte sich rasch ein Bild, ob alles erledigt war, was er angeordnet hatte. Doch der Laden war so schmutzig wie zuvor.
Rutja hängte den Wolfspelz an der Garderobe auf. Als er endlich zu Wort kam, erklärte er Frau Moisander:
»Du kannst deine Sachen zusammenpacken und gehen. Du bist entlassen.«
Frau Moisander war verblüfft. In den letzten Jahren war es immer sie gewesen, die gedroht hatte, zu kündigen und dem ganzen Volk, insbesondere den Behörden, Sampsa Ronkainens Niederträchtigkeiten zu enthüllen. Und jetzt warf Sampsa sie einfach hinaus. Hatte er denn vollkommen den Verstand verloren?
Frau Moisander war heiser vom Schreien und Zetern. Sie erinnerte daran, wie sie sich Sampsa aufgeopfert habe… daß sie bei ihm fast den Verstand verloren hatte… Dachte Sampsa denn nicht mehr an die Stunden im Bett, an die Liebesnächte, für die sie sich als arme Alleinerziehende hergegeben hatte? Und was würde Sampsa dem Steuerprüfer sagen? Die Buchhaltung des Antiquitätengeschäfts hielt keiner Überprüfung stand, hatte Sampsa das völlig vergessen? Schließlich fragte Frau Moisander mit eisiger Stimme, ob dem Herrn Geschäftsführer Ronkainen nun auch noch die letzten Überreste seines Verstandes abhanden gekommen waren, wenn er jetzt plötzlich von Kündigung sprach.
Rutja blieb unerbittlich. Faulheit konnte er nicht ertragen. Das Geschäft machte ohnehin schon Verluste.
»Wenn dir die Arbeit nicht schmeckt, kannst du gehen.«
Frau Moisander kreischte und fluchte
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